Kriegskinder der Jahrgänge 1929 bis 1941 erzählen in diesem Buch von ihrem Alltag. Zum Beispiel vom nächtlichen Sirenengehöl und vom Sammeln der bizarren Granatsplitter, die am nächsten Morgen als Reste der täglichen Bombengeschosse zu finden waren. In den Großstädten müssen die Kinder angezogen zu Bett gehen, um bei Fliegeralarm blitzschnell reagieren zu können. Sie greifen im Dunkeln nach dem bereit stehenden Luftschutzgepäck und hasten zum Luftschutzkeller oder Bunker. Stets ist die Angst gegenwärtig, verschüttet oder "ausgebombt" zu werden. Immer wieder verlieren nahe Angehörige, Nachbarn oder Schulkameraden ihr Zuhause oder gar ihr Leben.Lange Jahre wachsen die meisten von ihnen vaterlos auf und müssen frührzeitig ihren Müttern helfen, den Vater zu ersetzen. Anstehen nach Lebensmitteln, Erkennen von drohenden Gefahren und rasches Handeln wird ihnen zur täglichen Routine. So müssen die ,,deutschen Jungs und Mädels" lernen, rechtzeitig zu funktionieren. Die Kriegskinder erzählen vom Schulalltag in ungeheizten Klassenräumen, vom Drill in der Hitlerjugend und vom Heimweh in der Kinderlandverschickung. Oft werden sie in vollständigen Schulklassen in bombensicheren Gebiete, zum Beispiel ins besetzte Polen oder in die Tschechoslowakei verschickt. Fern von zu Hause können die Kinder hier endlich wieder ungestört schlafen und haben zumeist auch genug zu essen. Ein streng geregelter Tagesablauf, Schulunterricht und gemeinsame Erlebnisse voller Kameradschaft, Spiele,Wandern und Singen, sollen von den Sorgen um die Daheimgebliebenen und um die Väter und Brüder an der Front ablenken. Doch gelingt das in den letzten Kriegsjahren immer seltener. "Dreimal innerhalb von 14 Tagen hat der Lagerleiter nun schon Jungen von uns Post mit schrecklichen Nachrichten persönlich übergeben müssen", schreibt Harry Banaszak. Seitdem sehen wir der wöchentlichen Briefverteilung nicht mehr nur freudig, sondern auch beklommen entgegen."Die Kriegskinder erleben die überstürzte Flucht aus dem Osten, den Hunger und die Kälte, den Tieffliegerbeschuß und das bittere Kriegsende. Die Angst vor dem Einmarsch der fremden Soldaten und die Ungewißheit vor dem Kommenden wird zum Trauma.15 Millionen Menschen, die Generation der heute 70- bis 80-Jährigen, ist froh, die Kriegs- und Nachkriegszeit überlebt zu haben. Sie haben versucht, das Schmerzliche zu verdrängen, einen Alptraum, der sich wie ein langer Schatten über ihre Kindheit legte. Dennoch werden sie immer wieder von der Vergangenheit eingeholt. Der Kriegsalltag, die Bombennächre, die Trümmer und das ringsum erlebte Leid bis heute dauerhaft geprägt. Selbst heute noch geht ihnen der Heulton einer Sirene durch Mark und Bein, und in ihnen steigt sofort die Erinnerung an die Angst wieder hoch, die sie als Kinder ausgestanden haben. Irmgard Pondorf resümiert: ,,In dieser Zeit lernte ich, was es heißt, Flüchtling zu sein, keinen Teller, keine Gabel, kein Bett, kein Geld zu besitzen". Und, so möchte man hinzufügen, wie manch andere, auch kein Familienalbum mehr mit Kindheitsfotos für dieses Buch.Ingrid Hantke & Jürgen Kleindienst