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Das zweite Schwert

Eine Maigeschichte

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Zurückgekehrt nach jahrelangem Unterwegssein in die Gegend südwestlich von Paris, drängt es den Helden drei Tage später bereits zu einem erneuten Aufbruch. Im Gegensatz zu vorangegangenen Welterkundungen verfolgt er diesmal ein unumstößliches Ziel: »'Das also ist das Gesicht eines Rächers!', sagte ich zu mir selber, als ich mich an dem bewußten Morgen, bevor ich mich auf den Weg machte, im Spiegel ansah. « Rache warum? Für die Mutter, die in einem Zeitungsartikel denunziert worden war, dem Anschluss ihres Landes an Deutschland zugejubelt zu haben. Rache an wem? Eine Journalistin, der Urheberin dieser wahrheitswidrigen Behauptungen, die in Tagesentfernung in den Hügeln um Paris wohnte.

Die Erfahrungen all jener Reisenden, die Peter Handke von zu Hause aufbrechen lässt, bestätigen sich jedoch auch hier: »Ich hatte keinerlei Plan ausgeheckt. Es hatte zu geschehen. Andererseits: Es gab ihn, den einen Plan. Aber dieser Plan ist nicht mein eigener. «

Und so mündet der Rachefeldzug in ein Fest, eine bewusste Entscheidung des Erzählers Peter Handke: In die geschriebene Geschichte erhält nur Zutritt, was in der Realgeschichte Bestand hat. Und umgekehrt: Sich vollziehende Geschichte erlangt nur Wirklichkeit, wenn sie des Erzählens wert ist.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
17. Februar 2020
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
157
Autor/Autorin
Peter Handke
Verlag/Hersteller
Produktart
kartoniert
Gewicht
219 g
Größe (L/B/H)
205/121/17 mm
ISBN
9783518429402

Portrait

Peter Handke

Peter Handke wird am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Die Familie mütterlicherseits gehört zur slowenischen Minderheit in Österreich; der Vater, ein Deutscher, war in Folge des Zweiten Weltkriegs nach Kärnten gekommen. Zwischen 1954 und 1959 besucht Handke das Gymnasium in Tanzenberg (Kärnten) und das dazugehörige Internat. Nach dem Abitur im Jahr 1961 studiert er in Graz Jura. Im März 1966, Peter Handke hat sein Studium vor der letzten und abschließenden Prüfung abgebrochen, erscheint sein erster Roman Die Hornissen. Im selben Jahr 1966 erfolgt die Inszenierung seines inzwischen legendären Theaterstücks Publikumsbeschimpfung in Frankfurt am Main in der Regie von Claus Peymann.

Seitdem hat er mehr als dreißig Erzählungen und Prosawerke verfasst, erinnert sei an: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970), Wunschloses Unglück (1972), Der kurze Brief zum langen Abschied (1972), Die linkshändige Frau (1976), Das Gewicht der Welt (1977), Langsame Heimkehr (1979), Die Lehre der Sainte-Victoire (1980), Der Chinese des Schmerzes (1983), Die Wiederholung (1986), Versuch über die Müdigkeit (1989), Versuch über die Jukebox (1990), Versuch über den geglückten Tag (1991), Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994), Der Bildverlust (2002), Die Morawische Nacht (2008), Der Große Fall (2011), Versuch über den Stillen Ort (2012), Versuch über den Pilznarren (2013).

Auf die Publikumsbeschimpfung 1966 folgt 1968, ebenfalls in Frankfurt am Main uraufgeführt, Kaspar. Von hier spannt sich der Bogen weiter über Der Ritt über den Bodensee 1971), Die Unvernünftigen sterben aus (1974), Über die Dörfer (1981), DasSpiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land (1990), Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (1992), über den Untertagblues (2004) und Bis daß der Tag euch scheidet (2009) über das dramatische Epos Immer noch Sturm (2011) bis zum Sommerdialog Die schönen Tage vonAranjuez (2012) zu Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße (2016).

Darüber hinaus hat Peter Handke viele Prosawerke und Stücke von Schriftsteller-Kollegen ins Deutsche übertragen: Aus dem Griechischen Stücke von Aischylos, Sophokles und Euripides, aus dem Französischen Emmanuel Bove (unter anderem Meine Freunde), René Char und Francis Ponge, aus dem Amerikanischen Walker Percy.

Sein Werk wurde mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Die Formenvielfalt, die Themenwechsel, die Verwendung unterschiedlichster Gattungen (auch als Lyriker, Essayist, Drehbuchautor und Regisseur ist Peter Handke aufgetreten) erklärte er selbst 2007 mit den Worten: »Ein Künstler ist nur dann ein exemplarischer Mensch, wenn man an seinen Werken erkennen kann, wie das Leben verläuft. Er muß durch drei, vier, zeitweise qualvolle Verwandlungen gehen. «

2019 wurde Peter Handke mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.


Pressestimmen

»Das zweite Schwert ist nicht aus Stahl, sondern das Erzählen selbst. Eine fromme Legende? Mag sein. Aber ein Sieg der Literatur. « Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung

»Dieses Buch ist die perfide Rache Handkes an seinen Kritikern, so will und muss man es heute vielleicht lesen und zugleich ein Fest für seine Bewunderer. Ein zweischneidiges Schwert. « Philipp Haibach, DIE WELT

»Für Peter Handkes Verhältnisse ungewöhnlich hält er im Zweiten Schwert bis zum Ende die Spannung. Wird der Erzähler noch Rache an der Journalistin nehmen? Es ist ein literarisches Spiel nicht nur mit dem, was im Buch passiert, sondern auch im Wissen um den eigenen Ruf. « Sebastian Hammelehle, DER SPIEGEL

»Das Buch verschränkt virtuos das Hohe und das Possenhafte . . . Frühlingshaft leicht liest sich die Maigeschichte und ist doch ein altmeisterliches ernstes Spiel . « Thomas E. Schmidt, DIE ZEIT

»Die Maigeschichte strotzt vor Referenzen auf so vieles, was Handke in seiner langen Karriere geschrieben hat . . . Handke spielt mit seinem Werk, leichtfüßig oft, dann tief, wenn s um große Themen geht . . . « Mladen Gladi , der Freitag

»Handke spielt locker alle Karten, die er so in seinem Ärmel versteckt hat. Scheint die Geschichte erst eine fast beiläufige Aneinanderreihung, wächst sie sich so zum komplexen Gefüge aus. Und zwischendurch zwinkert Handke uns zu. Sein Held ist nie unsympathisch, denn er ist auch nie mordlüstern. . . . Das hält die Rachegeschichte in einer sie konterkarierenden Leichtigkeit und heiteren Balance. « Michael Wurmitzer, Der Standard

»Das zweite Schwert fügt sich in [Peter Handkes] Erzählkosmos ein wie ein prächtig schillernder Mosaikstein. « Werner Krause, Kleine Zeitung, Graz

»Handkes Maigeschichte, ein literarisch virtuoser, staunenswert irritierender Selbsterkundungs-Text . . . « Ulrich Kühn, NDR Kultur

»Der kriegerisch anmutende Titel Das zweite Schwert geht auf diese Weise ganz und gar in der Literatur auf, und Handkes Epos schließt sich wie traumwandlerisch an die Epen Homers an. . . . Mit dem Hallraum der antiken Epen ist für Handke die Grenze zwischen Erzählen und Religion aufgehoben. Das ist nicht als eine theologische Überzeugung zu werten, sondern als Ausdruck dessen, dass die Literatur alles umfasst. « Helmut Böttiger, Deutschlandfunk Kultur

»Peter Handkes neues Buch zeigt ihn als Giganten der Beschreibungskunst. . . . [Er schafft] eine Art von Dichtung, die keinem raschen Verfallsdatum unterliegt und noch in 100 Jahren bei Lesern für Begeisterung sorgen dürfte. « Ulf Heise, MDR

»Wie sich am Ende alles schließt, fast wie selbstverständlich findet, rührt den Leser. Den anderen ist eh' nicht zu helfen. Werden sie wenigstens schweigen? Es steht zu befürchten - nein. « Lothar Struck, Glanz & Elend - Magazin für Literatur und Zeitkritik

Frankfurter Allgemeine Zeitung - RezensionBesprechung vom 18.02.2020

Von einem, der auszog, um Rache zu nehmen
Wenn die Widerworte leiser werden: Peter Handkes metafiktionale Maigeschichte "Das zweite Schwert"

Ein Mann betrachtet sich im Spiegel. "Das Gesicht eines Rächers", findet er, was zu seinem Vorhaben passt, das auszuführen er gerade sein Haus verlässt. Zugleich beobachtet er, wie diese Einschätzung "vollkommen lautlos aus mir" kam, in einem jener tagelangen, stummen Selbstgespräche, in denen der Mann seit Jahren geübt ist. Dieses aber ist anders. Denn mit dem Gespräch erscheint "ein menschliches Wesen, welches dabei war, nach vielen Jahren des Zögerns, des Aufschiebens, in den Zwischenzeiten auch des Vergessens, aus dem Haus zu gehen und die längst fällige Rache zu exekutieren" - es "erscheint" also ein Wesen, das dem Erzähler zu eigen ist, aber nicht völlig kongruent, so dominant in diesem Moment wie es zuvor verborgen gewesen ist. Und dieses Spannungsverhältnis prägt Peter Handkes schmalen Roman "Das zweite Schwert", der dieser Tage erscheint, vom ersten Absatz an.

Der Anlass für den plötzlich so übermächtigen Rachewunsch liefert ein lang zurückliegender Zeitungsartikel, der für den Erzähler gleichwohl immer präsent geblieben ist. In dem Text, der sich mit dem Erzähler beschäftigt, hatte die Journalistin auch kurz seine Mutter erwähnt, die mit den Nationalsozialisten sympathisiert habe. Belegt worden sei das, so der Erzähler, mit einem gefälschten Foto der beim Einmarsch der Faschisten jubelnden Mutter. Jedenfalls nehme er die "öffentliche" und "ohne Anrempelworte daherkommende Schriftsprache, verkürzt gesagt, der Zeitungen" als "Gewaltakte" wahr, die "wehrlosen Opfern nie wiedergutzumachendes Unrecht zufügte".

Das klingt durchaus nach Peter Handke, der auch sonst mit dem Erzähler des Romans einiges Biographische teilt, darunter den Wohnort in der Nähe von Paris. Von dort bricht nun der Erzähler auf, um Rache zu nehmen, denn jene Journalistin wohnt ebenfalls in der Region Île de France. Der Weg führt ihn zu Fuß zur Tram, die hier zur Untergrundbahn wird, mit Bus und Taxi zum ehemaligen Kloster Port Royal des Champs und schließlich nach einer wahren Irrfahrt mit einem Ersatzbus zu einer Bahnhofsgaststätte, in der er den Abend ausklingen lässt.

Was es mit der schönen Gattungsbezeichnung der "Maigeschichte" auf sich hat, erschließt sich rasch von der Oberfläche her und von der, davon nicht zu trennenden, heilsgeschichtlichen Grundierung. Handkes Erzähler entwirft eine mitunter beinahe anmutige Frühlingslandschaft, ohne die Spuren des Menschen zu vertuschen, im Gegenteil, er vergleicht die erinnerte, weniger berührte Gestalt eines Seitentals mit dem Ergebnis des Trambahnbaus an dieser Stelle und macht seinen Frieden. Er hat ein waches Ohr und Auge für die Vögel bis hin zur Deutung ihrer Rufe oder registriert ein Schmetterlingspaar, das einander schwebend umkreist. Tatsächlich ist der Roman wie durchwebt mit Bildern von Paaren und kontrastierend von überraschenden Einzelgängern - ein ganzer Absatz ist Sportlern gewidmet, vom Basketballer bis zum Boulespieler, die ihr Werk allein ausüben.

Kein Zufall, natürlich nicht, und dieser Riss bildet sich auch in der Sprache des Erzählers ab. Immer wieder tastet er sich vor und nimmt das eben Gesagte zurück, oder aber eine zweite Stimme fällt ein, sagt "Unsinn" oder beginnt eine Widerlegung mit "Andererseits", mahnt dann wiederum "Nur nicht spitzfindig werden!", gefolgt von "Das ist keine Spitzfindigkeit!", so dass man mitunter seitenweise einem Dialog zu lauschen meint.

Tatsächlich ist es dieses im Grunde simple, hier jedoch ganz vorzüglich eingesetzte Stilmittel, das dem Text eine untergründige Spannung verleiht und diesen anfangs so bestimmt auftretenden Protagonisten als durchaus zweifelnd entlarvt, mehr noch, geradezu entlarven soll. Was anfangs daherkommt wie zwei innere Instanzen, die einander relativieren, kann man allerdings genau so gut als Abbild des Verhältnisses ansehen, das der Erzähler zu seiner Umgebung pflegt, die ihn, so scheint er es zu sehen, maßregelt und korrigiert: Als er in einer beschreibenden Passage das Wort "dabei" verwendet und sich selbst zurechtweist mit den Worten "Wieder sagst du ,dabei'", und der unterbrochene Sprecher nimmt ungerührt den Faden wieder auf, das Wort "dabei" ruhig und selbstbewusst ein weiteres Mal wiederholend. Ich rede hier, so kann man sich das deuten, unterbrich und kritisiere mich ruhig, es wird an meiner Rede nichts ändern und auch nichts daran, wie ich die Welt erlebe.

Das ist ein zentraler Moment für das, was in der "Maigeschichte" geschildert wird, deren Titel sich einer Stelle im Lukasevangelium verdankt. Nach dem letzten Abendmahl und vor dem Gang nach Gethsemane bereitet Jesus die Jünger auf das vor, was kommen wird, und fordert sie auf, sich dafür Schwerter zu verschaffen. Als dann im Garten die Häscher kommen, fragen die Jünger, die zwei Schwerter mit sich führen, ob sie diese nun benutzen sollen, und führen sie dann auch gegen einen der Knechte, der ein Ohr einbüßt. Jesus heilt die Wunde und hinterlässt den Jüngern das Rätsel, wofür denn die Schwerter eingesetzt werden sollten, wenn nicht um ihn zu schützen.

Handkes Geschichte ist in zwei Abschnitte geteilt, die "Späte Rache" und "Das zweite Schwert" heißen, und neben die Gewaltphantasie tritt bald etwas anderes, das diese Geschichte auch von vielen eher solipsistischen Werken des Autors abhebt. Es ist die Neugier des Erzählers auf die anderen, die ihm begegnen, etwa an der Endhaltestelle der Tram, als es ums Umsteigen in einen der Busse geht, und die Frage auftaucht, wohin es die jeweils Beobachteten ziehe - "es waren viele, denen auf den Fersen zu bleiben es mich drängte, und von diesen vielen nahm ein jeder den Weg in eine andere Plateaurichtung."

Dieses Interesse, so scheint es, wächst im Laufe des Textes, und geht einher mit dem Verstummen der anderen, zweifelnden, relativierenden Stimme - wozu sollte die sich auch melden, während er so ersichtlich eins mit sich geworden ist? In der Bahnhofsgaststätte, in der er sich niederlässt, trifft er auf "nicht wenige derer, die mir tagsüber begegnet waren", und dass sie das "in anderer Gestalt, und trotzdem dieselben" tun, ist das Werk seiner Perspektive. Es ist ein geglückter Tag, der an sein Ende kommt, der vielleicht sogar einzig im Licht dieses Endes geglückt genannt werden kann, und das verdankt sich dem Willen des Erzählers, wie er in diesem Moment auf die Welt schaut: "Mir kam der Gedanke, ja die Erkenntnis, daß ich es all die Zeit mit keinem einzigen bösen oder schlechten Menschen zu tun gehabt hatte, und das nicht bloß an diesem einen Tag, sondern schon seit Monaten, seit Jahren! War ich überhaupt je mit einem Bösewicht, mit jemand Grundschlechten in Person zusammengeraten? Nicht in Person, nie in Fleisch und Blut."

Das letzte, die Unterscheidung zwischen gedachten und tatsächlichen Kontrahenten, gibt dann auch die Richtung vor, wie künftig die Notwendigkeit einer Rache vermieden werden kann. Als ein Friedensangebot kann man das verstehen, aber als eines an die Welt an sich: unter Umgehung derjenigen ihrer Bewohner, die nicht unter der milden Abendsonne verklärt werden, sondern mit ihren Fragen und Einwänden auch weiterhin gehört werden wollen.

TILMAN SPRECKELSEN

Peter Handke: "Das zweite Schwert". Eine Maigeschichte. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 158 S., br.

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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