Chaos würde Paul so einen Zustand jedenfalls nicht mehr nennen, Apokalypse war vielleicht passender, dachte er, und das ungute Gefühl, dass er damit nicht ganz falsch lag, wurde immer stärker.
Die Wetterlage ist lebensgefährlich. Alle Bewohner der Küstenorte sollen ihre Häuser umgehend verlassen. Elisa schiebt ihre Abfahrt bis zum Schluss auf, doch dann ist eine Flucht nicht mehr möglich. Auch ihre Nachbarn Vera und Joachim müssen in ihrem Haus ausharren, Elisa schließt sich ihnen an. Gemeinsam versuchen sie, sich vor der Überflutung in Sicherheit zu bringen. Dann erreicht sie die Nachricht, dass Häftlinge der nahegelegenen JVA ausbrechen konnten. Einen davon kennt Elisa persönlich sehr gut und er hat noch eine Rechnung mit ihr offen.
Hauptsächlich erzählen die Kapitel auf klar und gut verständliche Weise was während des dramatischen Unwetters geschieht. Zwischendurch werden Tagebucheinträge einer zunächst unbekannten Frau eingeschoben. Im Verlauf klärt sich, was diese Passagen mit der Handlung zu tun haben. Aufgrund des leichten, flüssigen Sprachstils hatte ich keine Schwierigkeiten, mich in die Handlung hineinzufinden.
Schnell wird klar, dass alle Charaktere etwas zu verbergen haben. Elisa wirkt sehr passiv, ist abhängig von Beruhigungstabletten. Was steckt hinter ihrer Sucht? Warum zerbrach ihre Ehe mit Exmann Max, der sich beim THW engagiert und nun Menschen vor der Flut rettet? Wieso zeigt sich Nachbar Joachim so skeptisch und scheut engeren Kontakt zu seinen Nachbarn? Und was hat Paul, der seit dem Tod von Elisas Schwester im Gefängnis sitzt, vor? Eine hochspannende, explosive Figurenkonstellation.
Die Geschichte riss mich wie die beschriebene Flut regelrecht mit. Ohne dabei groß nachzudenken, konnte ich nicht aufhören zu lesen, verschlang den leichtgängigen Roman fast in einem Rutsch. Das hochdramatische Szenario wird insgesamt sehr packend geschildert. Dass Elisa allerdings so wenig tut, sich nur darum zu kümmern scheint, dass sie keine Tabletten mehr hat und die sonstigen Entwicklungen überwiegend fast teilnahmslos betrachtet, hat mich allerdings ein wenig gestört. Überhaupt sind die Charaktere nicht sehr ausgefeilt, kommen recht einseitig und wenig komplex rüber, was bei all den actionreichen Entwicklungen und Wendungen aber für mich wenig ins Gewicht fällt.
Am Ende wartet der Thriller noch mit besonderen Enthüllungen und Überraschungen auf. Insgesamt ein leichter Krimi, der mich gut unterhalten hat, sicher aber nicht länger nachwirkt. Für alle, die gerne in dramatische Szenarien abtauchen und die schnelle Unterhaltung suchen, ist Nachtflut sicher die passende Lektüre.