Nachtlügen erzählt eine fesselnde Geschichte über Nachtalben (Nachtmahre), die Albträume säen, um anschließend die Lichtträume der Menschen zu ernten. Isra ist eine von ihnen - doch nachdem einer ihrer Stammträumer während eines nächtlichen Besuchs stirbt, wird sie von Schuldgefühlen überwältigt. Sie zieht sich immer weiter zurück, meidet die REM-Gemeinschaft und distanziert sich von den wenigen, die ihr nahestehen. Als dann ein weiterer Träumer in ihrer Gegenwart stirbt, gerät ihr Leben erneut aus den Fugen.Bis zur Mitte des Buches fand ich Isra als Protagonistin spannend zu verfolgen. Besonders ihr innerer Konflikt und die düstere Atmosphäre haben mich in den Bann gezogen. Doch obwohl die Handlung weiterhin ereignisreich bleibt, hat mich die zweite Hälfte emotional nicht mehr so gepackt. Ich hatte Schwierigkeiten, mit Isra wirklich mitzufühlen, und auch die zwischenmenschlichen Beziehungen blieben für mich eher oberflächlich. Es gab einige spannende Entwicklungen, aber sie haben mich nicht so mitgerissen, wie ich es mir gewünscht hätte.Ein Grund dafür war für mich, dass Isra als Charakter sehr unnahbar blieb - sowohl für die anderen Figuren als auch für mich als Leserin. Vielleicht war das von der Autorin bewusst so gewollt, aber dadurch fühlte ich mich oft wie eine distanzierte Beobachterin ihrer Geschichte. Wir verfolgen sie als einzige Protagonistin, doch ihre Handlungen und Gefühle blieben für mich schwer greifbar. Es war, als könnte ich sie nur aus der Ferne betrachten, ohne wirklich nah an sie heranzukommen und sie vollständig zu verstehen.Die Grundidee des Buches dagegen fand ich sehr spannend - eine verborgene Gesellschaft von Nachtalben, die Albträume erschaffen, um uns mit unseren Ängsten zu konfrontieren. Besonders der Ideenreichtum hinter den erschaffenen Träumen und das Konzept, wie Träume produziert werden und welche Macht in ihnen steckt, haben mich begeistert. Zudem werden einige Referenzen zu Kunstwerken und Gedichten eingebaut, da Nachtmahre ein beliebtes Motiv in der Kunst und Literatur waren.Insgesamt hatte Nachtlügen für mich großes Potenzial, das in der zweiten Hälfte leider nicht ganz gehalten wurde. Zu Beginn war ich überzeugt, dass es ein 4- bis 5-Sterne-Buch werden könnte - am Ende sind es für mich solide 3,5 Sterne.