Nachdem ich mittlerweile einige Rezensionen zu dem Buch gelesen habe, habe ich das Gefühl, dass dieses Buch eines jener Bücher ist, welches sehr stark polarisiert. Natürlich trifft das auf viele Bücher zu, denn Geschmäcker sind eben verschieden. Die einen lieben es, die anderen hassen es.
Autorin Beatriz Serrano hat mit ihrem Roman aber eine ganz besondere Art der Gesellschaftskritik erschaffen, die manche Leser und Leserinnen einfach nicht verstehen bzw. nachvollziehen können. Mir ist bewusst, dass dies sehr abwertend klingt, es ist aber nicht so gemeint. Ganz im Gegenteil. Diese Leser und Leserinnen haben das Glück, dass sie nicht in einem Hamsterrad feststecken und jeden Tag und jede wache Minute ihre Existenz, ihr Leben und ihre Arbeit hinterfragen. Sich ständig überlegen wozu sie eigentlich jeden Tag aufstehen und in einen Job gehen, denn sie zwar am Papier beherrschen, aber doch das Gefühl haben, eigentlich nur eine Rolle zu spielen und gleichzeitig völlig über- und unterfordert sind. Ihr Leben ein ständiger Wechsel zwischen Bore-out und Burn-out ist.
Beatriz Serranos Protagonistin Marisa führt genau so ein Leben. Ihren Job in der Werbeagentur macht sie am Papier wirklich gut und sie strahlt nach Außen eine Professionalität aus, die von der Außenwelt wahrgenommen und geschätzt wird. In ihrem Inneren schaut es aber ganz anders aus. Sie spielt eine Rolle, um nach Außen die Person zu sein, die von ihr erwartet wird. Überstehen kann sie das ganze nur, indem sie regelmäßig zu Alkohol und Medikamenten greift. Zum Abschalten und Entspannen, aber auch um in der Arbeit produktiv zu wirken, flüchtet sie sich in die unendlichen Weiten von You tube.
Beatriz Serrano schafft es mit ihrem zynischen Erzählstil schwierige Themen anzusprechen und es dabei doch leicht und locker wirken zu lassen. Im ersten Augenblick schmunzelt oder lacht man, schüttelt vielleicht den Kopf, um im nächsten Augenblick nachdenklich zu werden. Denn man realisiert, dass dies eigentlich gar nicht lustig ist, sondern traurige Wahrheit und harte Realität. Ein wenig erinnert mich ihr Stil an einige der großen österreichischen Kabarettisten. Da schüttelt sich das Publikum auch aus vor Lachen und im nächsten Moment tritt betretenes Schweigen ein.
Die Autorin zeichnet hier ein sehr düsteres, aber leider auch realistisches Bild der Gesellschaft oder zumindest von Teilen der Gesellschaft. Sie spricht viele wichtige, vor allem auch feministische Themen an. Sie beschreibt anschaulich, wie sehr sich das Außen oft vom Innen unterscheidet. Wie viele von uns eine Rolle spielen, um den Alltag zu überstehen und uns in die Gesellschaft einfügen, obwohl wir innerlich zu Grunde gehen. Die Standardantwort auf die Frage "Wie gehts Dir?" ist meistens "Gut, danke" maximal noch "Geht so". Kaum einer beantwortet diese Frage wirklich ehrlich und wenn nur bei den engsten Vertrauten, falls man solche hat. Denn obwohl wir dank sozialen Medien uns leicht mit der ganzen Welt vernetzen können, werden viele Menschen immer einsamer und flüchten sich eine Scheinwelt und dämpfen ihre Gefühle mit Alkohol, Drogen oder Medikamenten.
Einige kritisieren bei dem Buch den fehlenden Spannungsbogen und das eigentlich nicht besonders viel passiert. Diese Kritik kann ich nachvollziehen, denn beide Punkte sind richtig. Mich persönlich hat dies nicht gestört, denn es macht das Buch auch noch realistischer und greifbarer. Etwas sauer stößt mir allerdings der zweite Teil des Buches auf, also ab dem Punkt, an dem es zu dem Teamevent geht. Hier hat die Autorin mich dann langsam, aber sicher verloren. Da ich nicht spoilern möchte, nur so viel: Ab dem Punkt wirkt es für mich nur mehr gekünstelt und unrealistisch. Auch das Ende lässt mich etwas ratlos zurück. Ein wenig habe ich das Gefühl, dass die Autorin das Buch beenden wollte, aber nicht wirklich wusste, wie sie es abschließen soll. Der von ihr gewählte Weg ist interessant, aber für mich persönlich nicht zufriedenstellend.