Es war eine Zufallsbegegnung, die das Leben von Chris Broad grundlegend verändern sollte. Ohne viele Kenntnisse über das Land oder der japanischen Sprache beschließt Chris, damals 22jährig, sich für das JET-Programm zu bewerben. Ein Programm das englische Muttersprachler in Japan als Aushilfslehrer einsetzt.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit dem Land und der Kultur Japans. Ich habe viele Bücher zu dem Thema gelesen und freue mich auch darüber, dass immer mehr Werke japanischer Autorinnen und Autoren ins Deutsche übersetzt werden. Denn auch wenn ich bereits seit einigen Jahren versuche die japanische Sprache zu lernen, bin ich noch weit davon entfernt, einen Roman lesen zu können.
Daher ist es wahrscheinlich wenig verwunderlich, dass ich mich durch dieses Buch sofort angesprochen gefühlt habe. Den Titel in Kombination mit dem Namen des Autors fand ich ein sehr gelungenes Wortspiel und habe gedanklich dem Verlag zu dieser Idee gratuliert. Erst während dem Lesen habe ich festgestellt, dass der Autor schon seit seinen Anfangszeiten in Japan einen gleichnamigen You Tube Kanal hat. Mit diesem Kanal hat er auch einiges an Berühmtheit gewonnen, an mir ist das alles aber spurlos vor rüber gegangen.
Da in der Ankündigung, meiner Meinung nach, vor allem der Punkt hervorgehoben wurde, dass Chris alle 47 Präfekturen Japans bereist hat, habe ich vermutet, dass es sich beim vorliegenden Buch vor allem um diese Reisen drehen wird. Das es sich im Grunde um eine Art Reisebericht oder Reisetagebuch handeln wird. Stimmt auch zu einem gewissen Teil. Den viel größeren Raum nehmen aber die kleinen persönlichen Eindrücke von Chris ein. Aufgrund dessen ist dieses Buch so viel mehr als nur ein weiterer Reisebereicht eines Ausländers. Durch seine Tätigkeit an einer japanischen Schule gibt Chris einen tiefen Einblick in das Bildungssystem und zeigt deren offensichtlichen Schwächen auf.
An vielen Stellen lässt er das japanische System in keinem guten Licht dastehen und sein teilweise brutal ehrlicher Ton macht die Kritik nur noch harscher. Er spricht offen und ehrlich über Mobbing an japanischen Schulen, darüber das Lehrer und Lehrerinnen nicht nur davon wissen, sondern sich teilweise sogar daran beteiligen. Natürlich wurde bereits vor diesem Buch über das japanische Bildungssystem berichtet. Wer sich mit dem Thema beschäftigt weiß, wie stark der Druck ist, der auf japanischen Schülerinnen und Schülern lastet. Trotzdem habe ich durch dieses Buch einiges Neues gelernt und einen viel tieferen Einblick bekommen.
In jedem Wort spürt man die Wertschätzung und die Liebe die Chris zu dem Land und den Menschen hat. Wie bereits erwähnt spart er dennoch nicht mit kritischen Worten und verherrlicht weder das Land noch das System. Dies hat ihm bereits in der Vergangenheit einiges an Gegenwind gebracht. Wie Chris in seinem Buch selbst schreibt, gibt es viele Nicht-Japaner die sich im Internet als Beschützer und Retter des Landes aufspielen, ohne jemals dort gewesen zu sein.
"Abroad in Japan" gibt einen sehr persönlichen und intimen Einblick in das Leben eines Ausländers in Japan. Neben den bereits erwähnten kritischen Worten gibt es aber auch viele amüsante Anekdoten und interessante Fakten. Es ist kein Buch über Japan im klassischen Sinne. Es ist die Lebensgeschichte eines jungen Mannes, der ins Unbekannte aufgebrochen ist und sich dabei mehrmals verloren und wiedergefunden hat.
Von der ersten bis zur letzten Zeile hat mich dieses Buch fasziniert und begeistert. Beim Lesen habe ich die volle Bandbreite an Gefühlen erlebt. Ich war wütend, sprachlos, amüsiert, hab schallend gelacht oder war den Tränen nahe. Für mich ist dieses Buch ganz klar eine absolute Leseempfehlung.