Der kurdische Politiker Selahattin Demirta¿, der sich für eine pluralistische Türkei einsetzt, ist seit 2016 als politischer Gefangener im Hochsicherheitsgefängnis Edirne inhaftiert. Dort begann er mit dem Schreiben. "Kaltfront" ist sein zweites Buch, das insgesamt 14 Kurzgeschichten enthält, die von Gerhard Meier übersetzt wurden.Während einige Geschichten gesellschaftspolitisch brisant sind, erzählen andere Episoden aus dem Leben einfacher Leute. Mal gleicht das Erzählte einem Schlag ins Gesicht, mal nimmt es humoreske oder märchenhafte Züge an und erscheint vordergründig banal. Bei näherer Betrachtung lässt sich aber viel über die Gesellschaft in der Türkei erfahren. Es geht immer wieder um Traditionen, staatliche Willkür, Schuld, Würde, Machtmissbrauch und den Versuch eines selbstbestimmten Agierens innerhalb dieses Systems. Über allem scheint auch die Frage zu stehen, was einen Menschen ausmacht. Demirta¿ schreibt in einer klaren, deutlichen Sprache, durch die die beschriebenen Szenen deutlich wie ein Film vor dem inneren Auge ablaufen.Beim Lesen haben mir die Geschichten zunächst unterschiedlich gut gefallen. Mit einem Abstand von nun etwa vier Wochen stelle ich aber fest, dass sich sämtliche Erzählungen in meinem Gehirn festgesetzt haben und dort immer noch nachwirken.Dafür kann ich nur die Höchstpunktzahl vergeben.