Ein wirklich außergewöhnliches Buch, das viel mehr Aufmeksamkeit verdient hat.
"Ich glaube an das Zuhören. Daran, sich der Welt zu öffnen. Denn sobald man zuhört, teilt man etwas mit demjenigen, der es geäußert hat, der sich zu erkennen gibt."Mit "Die Flüchtigen" von Alain Damasio hielt ich ein Buch in den Händen, das ich so vorher noch nie gelesen habe. Es ist ein Buch über das Kämpfen. Das Kämpfen darum, niemals etwas aufzugeben, das uns wichtig ist: Liebe, Freiheit, Selbstbestimmung! (Übersetzt aus dem Französischen von Milena Adam)Die Geschichte spielt 2041 in der französischen Stadt Orange, in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur im Südosten von Frankreich. Sahar und Lorca Varèse finden eines Morgens das Bettchen ihrer kleinen Tochter Tishka leer vor. Doch wie kann in einer Welt, in der die absolute Überwachung herrscht, jemand einfach ungesehen und unbemerkt verschwinden? Lorca vermutet Tishka bei den Flüchtigen. Wesen, die unerkannt in den toten Winkeln unserer Wahrnehmung leben. Und ohne es zu ahnen treten Lorca und Sahar eine Lawine los, die unaufhaltbar über sie hinwegrollt..."Er sieht mich durchdringend an, mit seiner mondstillen Art und seinen blaugrünen Augen, die eine tägliche Huldigung der Klugheit sind."Damasio hat hier wirklich etwas Großes, vor allem aber sehr Interessantes geschaffen. Das Buch lässt sich für mich nicht klar in eine Kategorie einordnen: Es ist nicht wirklich dystopisch, jedoch zukunftsorientiert und vor allem gesellschaftskritisch.Wie schon erwähnt, spielt die ganze Story im Jahr 2041. Die Welt befindet sich in einem stark vom Lobbyismus geprägtem Kapitalismus. Die Städte und Gebäude gehören einzelnen Firmen und sind zudem in verschiedene Zonen eingeteilt, je nach Zone dürfen diese nur von bestimmten Bürgern betreten werden. Es will ja niemand, dass sich ein Platinbürger mit dem Pöbel der Ringlosen abgeben muss bzw. dieser ihm über den Weg laufen könnte. Außerdem wird in dieser hoch technisierten Welt alles überwacht, was selbstverständlich wiederum den Firmen dient, die den Menschen jedweden Blödsinn verkaufen wollen, um sie noch mehr unter Kontrolle zu haben und noch mehr auszuspionieren. Die sogenannten Flüchtigen haben einen Weg aus dieser Konsumgesellschaft gefunden. Und dann gibt es natürlich auch noch die Ringlosen, die die Firmen piesacken wo es nur geht und ihre Städte zurückerobern wollen.Mir hat das Buch wirklich sehr gefallen. Sowohl sprachlich, als auch inhaltlich.Die Besonderheit im Buch entwickelt sich nach und nach, denn im Laufe der Geschichte passiert etwas mit den Buchstaben. Sie bekommen Sonderzeichen, es fehlen Striche, plötzlich gibt es Schnörkel oder Punkte ... Hiermit tauchen wir in die Welt der Fluchse, wie die Flüchtigen auch genannt werden, ein und kommen mit ihnen nach und nach in Berührung. Den Lesefluss hat das für mich absolut nicht gestört, jedoch nehme ich durchaus an, dass es den ein oder anderen stören kann. Auch so kann ich mir vorstellen, dass dieses Buch sicher nicht für jeden etwas ist. Es erfordert schon sehr viel Aufmerksamkeit und auch die Lust sich mit sprach- und musikwissenschaftlichen Thesen auseinanderzusetzen. Hier und da braucht das Buch auch einfach seine Zeit, um sich zu entwickeln, was natürlich vom Leser auch etwas Geduld erfordert.