Es ist tragisch, dass das Buch Jesaja - ein Meisterwerk der kompositorischen Einheit mit seinen klaren Aussagen zu den Folgen der Sünde und dem einzigartigen Erlösungswerk des Messias - so zerstückelt worden ist. Roy F. Melugin schreibt dazu in seinem Kommentar: 'Es gibt eine unvorstellbare Menge an grundverschiedenen Auslegungen des Jesajabuches. In der Tat existieren so viele verschiedene Auffassungen von Jesaja, dass sich ein bibelwissenschaftlich Ungeübter fragen könnte, ob es sich dabei um Auslegungen ein und desselben Buches handelt.' Dass es so gekommen ist, liegt daran, dass man die meisten Prophezeiungen Jesajas aus ihrem historischen Kontext herausgelöst hat. Seit mehr als 100 Jahren sind nicht nur die Kapitel 40-66, sondern auch eine Reihe von Passagen innerhalb der Kapitel 1-39 im Lichte völlig anderer und späterer historischer Situationen gedeutet worden, als die, die Jesaja in seinem Buch so deutlich schildert und die er und seine Landsleute im späten 7. Jahrhundert v.Chr. erlebten: Städte lagen in Trümmern, Plünderungen, Verwüstungen und Massendeportationen fanden statt. Wenn Bibelkommentatoren Jesaja nicht selbst beim Wort nehmen, sondern den historischen und kompositorischen Kontext des Prophetenbuches beiseitelassen, öffnen sie wilden Spekulationen und subjektiven Interpretationen Tor und Tür. Dieser Kurzkommentar will interessierten Bibellesern zeigen, wie wohlüberlegt das Buch Jesaja aufgebaut ist und wie wichtig es für die korrekte Auslegung der Worte Jesajas ist, dass man die Abschnitte nicht aus ihrem zeitgeschichtlichen Kontext reißt. Es ist höchste Zeit, dass das Buch Jesaja als das anerkannt wird, was es ist: eines der bemerkenswertesten Bücher der Bibel, eine wahrhaft erstaunliche Schriftrolle.
Dr. theol. Seth Erlandsson, Jg. 1941, verheiratet, 8 Kinder, ist Mitglied der Lutherischen Bekenntniskirche in Schweden. Er war Mitarbeiter an der 'Svenska Folkbibeln' (Revision seit 1998) und am 'Theologischen Wörterbuch zum Alten Testament' (Botterweck/Ringgren). 1970 promovierte er an der Universität Uppsala mit einer Arbeit über den Propheten Jesaja.