Judith Hermanns Debüt 'Sommerhaus, später' wurde zu einem der größten literarischen Erfolge der letzten Jahrzehnte. 'Nichts als Gespenster' ist ihr zweiter Erzählungsband. Von Jonina und Magnus, von Owen und Sikka, von Ruth und Raoul erzählen Judith Hermanns Geschichten, von Norwegen und Nevada, Prag, Karlsbad und Island. Sie erzählen vom Lieben und Reisen und davon, wie sich Liebe und Reisen auf wundersame Weise ähnlich sind. Mit großer literarischer Meisterschaft entfaltet Judith Hermann den ihr eigenen unwiderstehlichen Sog und mächtigen Zauber. Einige dieser Geschichten wurden für das Kino verfilmt. Judith Hermann ist eine der meist gelesenen Autorinnen der Gegenwartsliteratur.
Wer vor fünf Jahren "Sommerhaus, später", das Überrraschungsdebüt der jungen Erzählerin gern lesen mochte, wird auch "Nichts als Gespenster" mögen und sich in der Welt und im Ton der Judith Hermann mühelos zurechtfinden.
Eine junge, gesunde Frau, die viel Zeit hat und viel Geld, reist siebenmal allein oder in Begleitung eines Mannes aufs Geratewohl durch die Welt, die sie nicht interessiert, und trifft, wohin immer sie kommt, nur auf ihresgleichen: auf Männer und Frauen, die nicht unglücklich sind, aber auch nicht richtig glücklich, die einfach nur blasiert und gelangweilt ihre Zeit verplempern. In die Männer verliebt sie sich oder auch nicht, sie küsst und lässt sich küssen, und nicht einmal Sex berührt sie richtig - so er denn überhaupt vorkommt.
Aus dem Tuschkasten der Worte streicht Judith Hermann Sprachaquarelle auf die Seiten dieser Nur-so-Geschichten; sie überlässt den Gesetzen der Schwerkraft, wie die Wasserfarben ineinander verlaufen. Es glückt nicht immer, denn die Erzählerin sammelt im naturalistischen Stil lauter Eindrücke, ohne sie recht verdichten zu können. Man sieht dabei trostlose Bilder wie in einem Traum, wenn man die Augen nicht richtig öffnen kann, und weder wird man mit Problemen behelligt, noch mit nennenswerten Konflikten.
Die spannungslosen Geschichten der Kleist-Preisträgerin finden eher unter der Oberfläche statt, im Nichtgesagten, nicht einmal Sagbaren. Genau dieser Stil wird von Judith Hermann verlangt. In vollem Umfang bedient sie diese Erwartung, und genau damit hat sie diesen so großen Erfolg. Sie gibt ihrer Generation, den heute knapp über Dreißigjährigen, eine eigene Stimme, und jetzt muss sie einfach nur noch so weitermachen: Geschichten, nicht höher als ein Büschel Gras, davon aber bis zum Horizont.
© Andreas Reikowski