Eine intensive Geschichte über den 'Tortilla Curtain' (Originaltitel), der unsichtbaren Grenze zwischen dem kalifornischen Reichtum und der mexikanischen Armut. Die Erzählung springt ständig hin und her zwischen dem Leben eines wohlhabenden Journalisten, wohnhaft in einer neuen Gated Community am Rande von L.A., und einem illegalen mexikanischen Einwanderer, der mit seiner Frau in einem Canyon unweit der Gated Community campiert. Der Lebensstandard der beiden Hauptfiguren könnte nicht unterschiedlicher sein.Auch ihre Ziele sind unterschiedlich: der Mexikaner möchte bis zum Beginn der Regenzeit so viel Geld als illegaler Tagelöhner verdienen, dass er für sich und seine schwangere Frau eine Wohnung mieten kann. Der Journalist möchte seinen Wohlstand am Stadtrand genießen. Beides gelingt nicht: die Einwanderungsbehörde macht dem Mexikaner das Leben schwer, aber auch Rechtsradikale, betrügerische Arbeitgeber und kriminelle Landsleute sind eine Gefahr. Der Journalist fühlt sich bedroht von Coyoten, die die Haustiere fressen, und Mexikanern, denen die gesamte Kriminalität der Region zugeschrieben wird. Die Bauarbeiter, die die Mauer zum Schutz vor Coyoten und Mexikaner um die Siedlung errichten, sind ebenfalls Mexikaner, das Hauspersonal auch.Die Wege der beiden Hauptfiguren kreuzen sich mehrmals und enden in einer gemeinsamen Katastrophe.Die Geschichte ist angefüllt mit schmerzhaften Erlebnissen: Unfall, Blut, Hunger, Ausländerhass, tote Haustiere, Vergewaltigung, Blamage auf Eigentümerversammlung, Diebstahl, Streit, Betrug, Raubüberfall, bedrohliche Schlägertypen, Feuer, noch ein Unfall, Waffen, Naturkatastrophen. Es ist kein Wohlfühlroman.Die Geschichte spielt fast immer in der Gegenwart, man ist ganz nah bei jeder Handlung, jedem Gedanken des jeweiligen Protagonisten dabei. Ab und zu wechselt die Erzählperspektive auch zu den Frauen der beiden Hauptpersonen.Dabei wird jedes Detail der jeweiligen Szene ausführlich beschrieben - nach meinem Geschmack manchmal zu ausführlich. Ich brauche nicht alle Bestandteile des Müslis kennenlernen, das der Sohn zum Frühstück isst. Durch das Übermaß an Details wird das Erzähltempo recht langsam, ich wurde oft ungeduldig und fragte mich, warum muss ich das jetzt so genau wissen, spielen die Details später noch eine Rolle? Meist taten sie es nicht.Durch den Erzählstil entstehen jedoch klare Bilder, ich habe die Orte und die Personen deutlich vor Augen, wie in einem Film. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt.Natürlich soll es wohl auch zu politischen Diskussionen anregen. Migration und Umweltzerstörung - man könnte meinen, es ist gerade zur letzten US-Wahl erschienen. Es erschien jedoch vor 30 Jahren, schon damals brüllten sich Gegner und Befürworter von Toleranz gegenüber Nichtweißen an, schon damals wusste man, dass die Ausdehnung der Stadt in die Halbwüste ökologisch riskant ist. T.C. Boyle betreibt dabei keine Schwarz-Weiß-Malerei, es ist kein Gut-gegen-Böse-Plot. Man kann beide Seiten verstehen. Letztlich zerstören sowohl Mexikaner wie weiße Amerikaner die Natur.