Als ich das Buch auf der Liste zum Deutschen Buchpreis entdeckt habe, hat es mich sofort angesprochen und ich wollte es unbedingt lesen. Es war ein interessantes Leseerlebnis, am Ende sind aber viele Fragen offen geblieben.Worum geht es in "Heilung"?Nach monatelanger Schlaflosigkeit und Unmöglichkeit, ein Kind zu zeugen, die sich aufs gesamte (Beziehungs)-Leben auswirken, reist der Ich-Erzähler in ein mysteriöses Nobelresort namens San Vita. Professor Trinkl soll direkt in die Seele von Menschen schauen und den Erzähler heilen können. Nachdem im Resort einiges nicht stimmig ist, reist der Erzähler zu seinem alten Freund aus Kindertagen, zu dem er schon lange keinen Kontakt mehr hat, der ihm aber immer wieder während seines Aufenthalts im San Vita (in Gedanken, Träumen) erschienen ist. Wird er durch ihn Heilung finden? Gibt es eine Lösung für sein Leiden?Die Rezension wird Spoiler enthalten.Der Schreibstil hat mich sofort in den Bann gezogen und ich konnte zu Beginn gar nicht aufhören zu lesen. Unbedingt wollte ich wissen, was in diesem mysteriösen Resort passiert, der Autor deutet immer wieder Dinge an (der Erzähler beobachtet jemanden, der ein Tier/einen Menschen aus dem Wald schleppt, die Kommunikation mit der Frau gerät aus unerklärlichen Gründen ins Stocken etc.) Solche Ausführungen sind letztendlich aber ins Leere gelaufen und wurden nicht auserzählt. Die mysteriöse Stimmung wurde stets aufrechterhalten, aber ich wusste nie genau, was nun wirklich passiert. Ich habe es auch für möglich gehalten, dass am Ende alles nur ein Traum war. Durch diese Erzählweise war das Buch aber spannend und auch schnell zu lesen.Was/wen ich nicht ganz verstanden habe, war die Figur Mana, ebenso eine Patientin im San Vita. Sie taucht stets (fast wie aus dem Nichts) dort auf, wo sich der Erzähler herumtreibt und hat auch was Mysteriöses an sich. Ich habe mich gefragt, wie sie es immer wieder schafft, den Erzähler zu finden, und was sie überhaupt von ihm will. Diese Beziehung hat sich mir nicht erschlossen. Es hätte Sinn für mich ergeben, wenn Professor Trinkl sie engagiert hätte, aber das ist im Dunkeln geblieben. Professor Trinkl selbst fand ich in interessant, aber sehr ambivalent. Das sollte so sein, denke ich. In meiner Vorstellung gab es durch diese Ambivalenz immer wieder unheimliche Szenen, beispielsweise wenn Trinkl dem Erzähler über die Wange streicht oder ihn umarmt, das hat sich für mich beim Lesen unangenehm angefühlt statt tröstend. Oder wenn Trinkl mit dem Erzähler zur Bärenjagd aufbricht und ihn am Ende zwingt, den Bären zu töten. (Und das wiederum bringt dem Erzähler dann Erlösung. Ich frage mich wirklich: Hat der Autor keine andere Möglichkeit gesehen, um Erlösung auszudrücken, als ein Tier umzubringen? Für mich hat das weder etwas Erlösendes noch etwas Männliches an sich.) Ich war froh, als der Erzähler San Vita verlassen hat, von dem ich übrigens nie eine genaue Vorstellung hatte. Es blieb in meiner Vorstellung immer ein grauer Schleier zurück und ich konnte mir absolut nicht vorstellen, wie jemand im San Vita behandelt, geschweige denn geheilt wird.Zunächst fand ich das Zusammentreffen mit Jesper angenehm, er ist eine Figur, die vollkommen frei ist und zu sich selbst gefunden hat. Er lebt im Einklang mit der Natur und hat sich offenbar als Selbstversorger zurückgezogen. Was der Erzähler zu Beginn auch noch faszinierend findet, am Ende will er aber fast wahnhaft so sein wie Jesper und verliert sich dabei vollkommen (seine Allergien und Neurodermitis behandelt er mit zahlreichen Medikamenten und redet sich ein, dass das Leben bei Jesper für ihn passend ist, dabei setzt er sogar die Katzen aus, damit er nicht mehr so unter seiner Allergie leidet). Von Heilung keine Spur. Am Ende braucht es wieder einen Tod, damit der Erzähler erkennt, wer er ist und wer er sein will (zumindest glaubt er das, ich bin mir da nicht so sicher). Warum er dann tatsächlich glaubt, dass er seiner Frau ein Kind schenken kann, wenn er sich monatelang nicht bei ihr gemeldet hat und komplett untergetaucht ist, erschließt sich mir auch nicht. Die Frau wird wohl etwas ganz anderes im Sinn haben, als ihn einfach so zurückzunehmen. Ich stelle mir auch die Frage, ob der Erzähler denn nun wirklich frei ist, wenn er mit dem Ziel aus der ganzen Sache rausgeht, dass er seiner Frau ein Kind schenken kann. Dabei geht es ja nur wieder um seine Frau, nicht um ihn selbst. In meinen Augen ist seine Heilung gescheitert, aber vielleicht soll das so sein, um zu zeigen, dass man immer auf der Suche bleibt und sich stets weiterentwickeln muss.Anschließend empfehle ich das Buch gerne weiter, da ich glaube, dass hier ganz verschiedene Interpretationsmöglichkeiten vorhanden sind und es dadurch erst interessant wird, sich auf die Geschichte einzulassen.