Im Original verrät Yann Martels Titel "Life of Pi" wenig über den Inhalt seines Romans, mit dem er über Nacht international berühmt wurde, nachdem er den renommierte Booker Prize 2002 dafür erhielt. Im Deutschen ahnt man schon ein wenig, auf was man sich mit der Lektüre "Schiffbruch mit Tiger" einlässt. Doch, wie gesagt, es ist nur eine Ahnung. "Ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen eine Geschichte, die Sie nicht überrascht. Eine, die Ihnen bestätigt, was Sie schon wissen. Eine, die Sie nicht weiter und nicht tiefer blicken lässt, eine, die Sie nicht mit neuen Augen betrachten müssen. Sie wollen eine zweidimensionale Geschichte. Eine leblose Geschichte. Die Dürre der Wirklichkeit, in der keine Saat aufgeht." Wenn Sie alle obigen Sätze mit einem Kopfschütteln beantwortet haben, dann sollten Sie schleunigst zu Yann Martels Buch greifen, denn Sie sind genau der richtige Leser für seine absolut haarsträubende Story. Pi, eigentlich ist der Junge auf den etwas ungewöhnlichen Namen Piscine getauft, lebt zusammen mit seiner Familie in Indien. Am liebsten beschäftigt er sich mit den unterschiedlichen Religionen. Bei den Hindus wird er ebenso gern gesehen wie bei den Christen und den Moslems. Und seine besten Freunde sind die Tiere, denn seine Klassenkameraden hänseln Piscine oft genug wegen seines Namens. Die Verwandtschaft zu "Pisser" und alles was damit zusammenhängt ist zu offensichtlich. Mit der Abkürzung Pi ist den Spöttern der Wind aus den Segeln genommen. Seiner Tierliebe kann Pi hemmungslos frönen, ist doch sein Vater der Besitzer eines kleinen Zoos. Allerdings zwingt die politische und wirtschaftliche Situation in den 70er-Jahren die Familie dazu, nach Kanada zu Verwandten auszuwandern. Leider können sie nicht alle Zoobewohner verkaufen und so begleitet eine kleine Menagerie die Familie mit dem Schiff nach Westen. Bei der Überfahrt kommt es zur Katastrophe: das Frachtschiff sinkt. Nur Pi kann sich durch eine glückliche Fügung in ein Rettungsboot retten. Doch er ist nicht allein an Bord. Eine Hyäne hat sich schon den besten Platz reserviert, ein Tiger kommt dazu und auf einer riesigen Menge Bananen treibt ein Orang-Utan heran. Nach einer mehrmonatigen Reise, es sind genau 227 Tage, zählen nur noch Pi und der Tiger namens Richard Parker zur Besatzung. Wie es dazu kommt? Das ist eine Abenteuergeschichte der Extraklasse, eine Robinsonade, die mit ihren unerwarteten Wendungen und ihrem ungewöhnlichen Personal die Leser in Atem hält. Gleichgültig, welche Bücher Sie bisher gelesen haben, eine solche Geschichte war garantiert noch nicht dabei. Selbst wenn Sie glauben, dass es für einen Menschen ganz und gar unmöglich ist, zusammen mit einem Tiger Schiffbruch zu erleiden und auch noch zu überleben, dann hat Yann Martel noch an eine ganz andere Möglichkeit gedacht. Aber lesen Sie selbst. © Manuela Haselberger