Oftmals sind es verschlungene Wege, die in die psychotherapeutische Ausbildung führen. Welche Motive stehen dahinter? Wie bildet sich die psychotherapeutische Identität heraus? Gerd Rudolf gibt eine feinsinnige Analyse.
Warum und wie ein Psychotherapeut zu Psychotherapeuten geworden ist.
In der gut hundertjährigen Geschichte der Psychoanalyse standen die einzelnen Therapeuten immer wieder vor der Aufgabe, die richtigen Theorien zu vertreten, die richtigen Behandlungstechniken einzusetzen und sich dadurch für eine richtige psychoanalytische Gruppierung zu qualifizieren. Dieser Anspruch auf das Richtige wird gegenwärtig in der Psychotherapie kaum noch vertreten. Es kann nicht mehr darum gehen, dass sich der einzelne Therapeut, die einzelne Therapeutin, mit dem identifiziert, was die jeweilige therapeutische Organisation oder Gemeinschaft als wahr, richtig und verbindlich definiert hat. Heute wird das Wesen des Psychotherapeutischen auf die Persönlichkeit des Therapeuten und auf die Anforderungen bezogen, die dieser spezielle Beruf an ihn oder sie richtet. Identität wird heute nicht mehr als Ergebnis einer Sozialisation und Eingliederung in eine Berufsgruppe aufgefasst, sondern als die persönliche Reifung einer Selbstidentität. Diese ermöglicht Therapeuten, Patienten mit sehr belasteten Lebenserfahrungen und schwierigen Beziehungsmustern zu einem neuen Gleichgewicht und einem besseren Selbstverständnis zu verhelfen.