Drei Monate lang kämpfte sich Pip Stewart im abgeschiedenen Guyana durch einen der unerforschtesten Dschungel dieser Welt. Mit Humor und Selbstironie erzählt sie von den täglichen Herausforderungen, denen sie und ihr kleines Team sich stellen mussten: vom Kampf mit Schlangen und wilden Stromschnellen, von Skorpionen und hungrigen Jaguaren. Aber auch von Glücksmomenten, der Erfahrung von Vertrauen und Selbstvertrauen. Mit nach Hause brachte sie einen fleischfressenden Parasiten. Und viele Erkenntnisse darüber, was im Leben wirklich wichtig ist. Ein packender Aufruf zu erforschen, was in uns schlummert, um aus der Abenteuerreise des eigenen Lebens das Beste herauszuholen
Besprechung vom 24.11.2022
Der Fluss der Erkenntnis
Man hat schon langweiligere Abenteuerbücher gelesen. Die Journalistin Pip Stewart reiste 2018 mit zwei weiteren Engländerinnen nach Guyana, auf der Suche nach der Quelle des Rio Essequibo im Grenzgebiet zu Brasilien. "Drei Frauen wagen etwas, was zuvor noch keiner gewagt hat", verspricht der Klappentext. Sie waren allerdings nicht allein unterwegs, sondern hatten eine einheimische Begleitmannschaft. Gemeinsam schlagen sie sich erst durch den Dschungel, um schließlich tausend Kilometer Richtung Atlantik zu paddeln. Natürlich kommt es zu Begegnungen mit allerlei Getier, am Fluss tummeln sich Affen, Kaimane, Skorpione, Anakondas und tödlich giftige Nattern. Nach der Rückkehr ist die Autorin schwer krank - infiziert mit einem fleischfressenden Parasiten. Man folgt der Truppe gerne durch die Wildnis, Stewart schreibt anschaulich, unterhaltsam, selbstironisch. Jedem Kapitel vorangestellt sind Reflexionen über das Leben. Die muss man nicht lesen, sie sind oft recht banal. Viel lieber hätte man etwas über das Volk der Waiwai erfahren, zu denen die Begleiter gehören. Doch das bleibt blass. Pip Stewart reflektiert lieber über das Leben, darüber, was sie nicht verpassen möchte, über ihre eigenen Erkenntnisse aus den Strapazen. Doch mit wem sie unterwegs ist, wird nicht erfahrbar. Weder die beiden anderen Frauen bekommen ein Gesicht, noch wird das Leben der Einheimischen im Dschungel erlebbar. Wie sind sie gekleidet, was treibt sie um, all das ist weniger wichtig als der Selbsterfahrungstrip. Bemerkenswert ist der Umstand, dass die Journalistin ihr gesamtes Honorar spendet. Sowohl an die Gemeinde Masakenari, von der aus die Expedition startete, als auch an eine Initiative, die sich für mehr Forschung zu Krankheiten einsetzt, die vor allem die ärmsten Menschen betreffen. Denn während Stewart nach ihrer Reise monatelang in einer Londoner Klinik betreut wird, schütten sich Einheimische über die parasitären Bisswunden einfach nur brennendes Kuhfett. bär
"Life Lessons aus dem Amazonas. Was ich bei meinem Dschungel-Abenteuer fürs Leben lernte" von Pip Stewart, aus dem Englischen von Violeta Topalova. DuMont Reiseverlag, Ostfildern 2022. 352 Seiten
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