Einen Krimi mit fast tausend Seiten liest man nicht alle Tage. Tatsächlich ist "Die Gräber der Verdammten" gleichermaßen Kriminal- wie Historienroman, denn Sansom zeichnet ein detailliertes Bild des prä-elisabethanischen Zeitalters und der spätmittelalterlichen Rechtssprechung. Die wenigen Gerichtsszenen, die akribischen Ermittlungen und der erzählerische Überbau erinnern zuweilen an einen John-Grisham-Thriller im Mittelalter, doch da ist ja noch das Historienepos.Neben den Machtspielen der Herrschenden und natürlich dem zentralen Kriminalfall beleuchtet Sansom den historisch belegten Aufstand von Bauern und Handwerkern, die von der Krone die Umsetzung weitreichender Reformen verlangen, die ihnen zuvor versprochen wurden. Der Autor wirft seinen Helden mitten in das Getümmel des improvisierten Feldlagers der Aufständischen, in dem schon bald ganz eigene Gerichtsverfahren abgehalten werden, denen nur Shardlake einen Hauch von Fairness verpassen kann. Nur knapp kann der der vermeintliche Edelmann dabei seine Haut retten, mit den Landbesitzern verfahren die aufgebrachten Untertanen weit weniger zimperlich.Shardlake, und mit ihm der Leser, erlebt mit, wie aus berechtigten Anliegen Forderungen werden, wie die Mächtigen eine Verschwörung wittern und die kampfeslustigen Vertreter der Aufständischen die Oberhand gewinnen. Es kommt zur alles entscheidenden Schlacht und erst viele blutige Opfer später nimmt der Anwalt seine Ermittlungen wieder auf. Am Ende schließt sich der Kreis, auch aufgrund der Ereignisse im Lager von Norwich.Sansom gelingt ein vielschichtiges Porträt einer unruhigen Epoche, in der große Veränderungen Volk und Machthaber gleichermaßen verunsichern und in dem ein Stück Freiheit für die "Unterschicht" zum Greifen nah scheint. Sein Shardlake versucht sich inmitten eines polarisierten Landes als Stimme der Vernunft, was, bewusst oder unbewusst, den Bogen zur Jetztzeit schlägt.Originaltitel: "Tombland"