Was war ein Buch, wenn es keine Geschichte erzählte? Was war ein Buch, wenn es nicht von Liebe sprach, von Freundschaft und Freude und all das bewahrte trotz der Dunkelheit der Welt?
Fünf Jahre sind vergangen, seit Meggie und ihre Freunde den Natternkopf besiegt und Ombra von seiner dunklen Herrschaft befreit haben. Nur einer der Bösewichte ist geblieben: Orpheus. Verarmt und seiner Zauberstimme beraubt schmiedet er im hohen Norden Rachepläne und tut sich mit einer bösen Hexe, einer Schattenleserin, zusammen. Die soll ihm dabei helfen, sich an Staubfinger zu rächen. Denn noch immer fühlt sich Orpheus von seinem Held aus Kindheitstagen betrogen. Und tatsächlich verschwinden nach und nach all diejenigen, die Staubfinger liebt, aus der Tintenwelt. Entschlossen macht er sich auf die Suche nach den Freunden. Dabei bekommt er von alten Bekannten wie dem schwarzen Prinzen, aber auch von neuen Figuren Unterstützung.
Mir hat besonders gut gefallen, dass dieses Mal mein Lieblingscharakter Staubfinger im Vordergrund der Geschichte steht. Der hat zwar wenig aus der Vergangenheit gelernt, aber ein überlegtes Handeln würde zum Feuerbändiger auch aus meiner Sicht weniger passen. Doch auch die Bösewichte kommen hier nicht zu kurz. Die Kapitel über Orpheus habe ich daher mit einer Mischung aus Freude und Abscheu gelesen. Sie sind wirklich großartig gezeichnet.
Auch wenn mir die Rückkehr in eines meiner Lieblingsbücher sehr gefallen hat, hätte ich mir an einigen Stellen mehr Ausschmückungen, Hintergründe und Raum für die Figuren gewünscht. Einige Figuren sind sehr holzschnittartig und haben kaum eigene Interessen und Ziele, obwohl sie durchaus interessant angelegt sind. Da hätte ich wirklich gerne mehr erfahren und auch in den "Kopf" der ein oder anderen Figur mehr hineingeschaut - zum Beispiel in Bezug auf Orpheus Kammerdiener oder die Schülerin in der Schattenleserin. Mehr Seiten hätten dem Roman, der im Vergleich zu den anderen drei Bänden mit knapp 300 Seiten eher dünn ist, sicherlich gut getan.
Positiv möchte ich aber hervorheben, dass es Cornelia Funke gelungen ist, eine wirklich eigenständige Fortsetzung zu verfassen. Statt die alten Geschichten aufzuwärmen und in einer neuen Variante zu erzählen, wird hier etwas Neues berichtet. Der Wechsel des Figurenfokus und des Schauplatzes hat dem wirklich gut getan. Dennoch "verrät" die Autorin ihre Werte, die sich durch alle Tintenweltbücher ziehen, nicht. Auch hier geht es um Freundschaft, Vertrauen, Leidenschaft und Mut.