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Requiem

Roman

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Die große Neuentdeckung: Ein meisterhafter Roman aus den Dreißiger Jahren

Der jüdische Cellist Erich Krakau wird Opfer einer gnadenlosen Intrige, an der sich bald eine ganze Stadt beteiligt: Kleinbürger, Emporkömmlinge und Spießer. Der von Peter Graf entdeckte, bislang unveröffentlichte Roman von Karl Loeser wirkt beinahe prophetisch. Denn geschrieben wurde er, bevor die Vernichtung der europäischen Juden ins Werk gesetzt wurde.

Eine Stadt in Westfalen Mitte der 1930er-Jahre: Die Entrechtung der in Deutschland lebenden Juden ist weit fortgeschritten, aber einige leben weiterhin unbescholten und können ihren Berufen nachgehen. Zu ihnen gehört der Cellist Erich Krakau, der am städtischen Symphonieorchester tätig ist. Das Blatt wendet sich, als der 22-jährige Fritz Eberle, Mitglied bei der SA, seine Stelle im Orchester einnehmen will. Getrieben von Hass, entsteht eine Hetzjagd auf den unschuldigen Krakau, in die Freunde mit hineingezogen werden, die alles für Krakau riskieren - aber auch skrupellose Emporkömmlinge auf der Seite Eberles, die gut vernetzt sind und Krakau gefährlich werden. Karl Loesers auf eigene Erlebnisse und die Erlebnisse seines Bruders zurückgreifende Roman erzählt vom Schrecken der Diktatur und macht die Mechanismen des Terrors sichtbar.

Zur Editionsgeschichte:

Schon immer gab es sehr talentierte Autoren, deren Werk nie an die Öffentlichkeit gekommen ist. Der aus Berlin stammende Karl Alfred Loeser war einer von ihnen. Von den Nazis vertrieben, führte ihn seine Flucht über Amsterdam nach Brasilien. Dort entstanden seine Romane, Novellen und Theaterstücke. Zwar wusste seine Familie, dass er sich häufig zum Schreiben zurückzog, doch was er schrieb, blieb unbekannt. Erst nach seinem Tod 1999 entdeckte die Familie den Nachlass. Darunter befand sich auch der auf Deutsch verfasste Roman »Requiem«, der in der ursprünglichen Fassung den Titel »Der Fall Krakau« trug und vor dem Hintergrund des Schicksals seines Bruders, eines Musikers im Dritten Reich, enstanden war. Loeser selbst hatte den Roman ins Portugiesische übertragen, traute sich aber nicht, ihn Verlagen anzubieten, weil es ihm unter dem Machthaber Getúlio Dornelles Vargas, der mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, zu gefährlich erschien, seine jüdische Herkunft mit einer solchen Publikation öffentlich zu machen. Seinen Bruder Norbert, der in den Niederlanden blieb und den Krieg dort überlebte, sah er nach dem Krieg wieder.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
18. Februar 2023
Sprache
deutsch
Auflage
2. Auflage, 2023
Seitenanzahl
320
Autor/Autorin
Karl Alfred Loeser
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
350 g
Größe (L/B/H)
195/126/35 mm
Sonstiges
gebunden mit Schutzumschlag
ISBN
9783608986846

Portrait

Karl Alfred Loeser

Karl Alfred Loser wurde am 5. September 1909 in Berlin als jüngerer Bruder des Musikers,


Komponisten und Musikkritikers Nobert Loeser geboren. Er arbeitete in Berlin bei einer

Bank und für einen Kaffeehändler und sprach mehrere Sprachen. Im Alter von 25 Jahren

flüchtete er nach Amsterdam, wo sein Bruder Norbert bereits lebte. Dort lernte er seine

Frau Helene kennen und emigrierte kurz darauf mit ihr nach Brasilien. Er ließ sich in São

Paulo nieder und arbeite bis zu seiner Pensionierung für eine niederländische Bank, die

dort eine Filiale betrieb. Sein Leben lang schrieb er im Schatten seines Berufs


Pressestimmen

» Requiem ist bestürzend und ergreifend. Souverän wird die kriminelle Energie des politischen Systems in Form eines Kriminalromans dargestellt. [ ] Requiem ist eine raffinierte literarische Mischung. Der Roman spielt mit der Ästhetik des Trivialen und setzt Effekte präzise ein. Gleichzeitig behält er seine komplexen erzählerischen Strategien im Auge. [ ] Als Buch ist es ein Glücksfall. Es wandert über den Umweg des Exils in die deutsche Literatur ein und wir hier bleiben. «Paul Jandl, Neue Züricher Zeitung, 05. April 2023 Paul Jandl, NZZ

»Was tatsächlich die Faszination dieses Buches ausmacht, sind diese unglaublich feinen und psychologisch toll ausgearbeiteten Beschreibungen einer Gesellschaft unter dem Nationalsozialismus und diese Abgründe, die sich auftun, aber eben auch zwischenmenschliche Wunder, die sich ereignen. [ ] Bei all der Tragödie versteht Loeser mit einer großartigen, lakonischen Distanz zu schreiben und das ist in meinen Augen wirklich ganz große literarische Kunst. «Stephanie Oppen, Deutschlandfunk Kultur, 28. Februar 2023 Stephanie Oppen, Deutschlandfunk Kultur

» Requiem ist ein Buch über Ideale: Was sind sie noch wert, wenn die Zeiten sich ändern? Wo stehe ich, und wofür? Das Gewissen eines jeden ist die heimliche Hauptperson in diesem großartigen Roman. «Anna Hartwich, NDR, 17. Februar 2023 Anna Hartwich, NDR

»Loesers Roman ist gelungen, weil er den Geist der Dreißigerjahre abbildet. Der gesellschaftliche Zustand wird zum Wasserzeichen des Textes. «Thomas Combrink, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05. Dezember 2023 Thomas Combrink, FAZ

»Loeser schildert auf meisterhafte Weise die Vielfalt der komplexen Gesellschaft aus Mutigen und Feiglingen, aus Gleichgültigen und Tätern. [ ] Requiem ist besser als manches Sachbuch über die Anfangszeit des Nazi-Regimes und deshalb nicht zuletzt auch jungen Lesern zum besseren Verständnis jener Jahre zu empfehlen. «Sigismund von Dobschütz, Saale-Zeitung, 16. August 2023 Sigismund von Dobschütz, Saale Zeitung

» Requiem ist ein aus der Rückschau entworfener Versuch einer Antwort auf die Frage Wie konnte es dazu kommen? Der Roman führt die sozialen Mechanismen der Ausgrenzung und der Korrumpierung der öffentlichen Meinung sehr nachvollziehbar vor. «Katharina Granzin, TAZ, 10. Juli 2023 Katharina Granzin, taz

»Ein sowohl sprachlich als auch erzählerisch gelungenes Werk! «Carolin Kaiser, Literatur und Feuilleton, 02. April 2023 Carolin Kaiser, Literatur und Feuilleton

»Loesers Sprache ist geschmeidig. Und durchaus auf dem Niveau der in jüngster Zeit zum wiederholten Male aufgelegten und neu zu lesenden Gabriele Tergit. «Alexander Kluy, Buchkultur, April 2023 Alexander Kluy, Buchkultur

»Beachtlich, wie Loeser all die Argumente ausbreitet, mit denen sich die Helfer im Angesicht der Bewährung zurückhalten. Kläglich versagt der Bildungsbürger wie der alte Adel. Und Anhand Krakaus und der Figur des Doktor Spitzer [ ] zeichnet Loeser nach, wieviel innere und äußere Überwindung die Emigration kostet. «Reinhard Kalb, Nürnberger Zeitung / Nürnberger Nachrichten, 28. März 2023 Reinhard Kalb, Nürnberger Zeitung

»Zeugnis und Warnung zugleich, aktueller denn je und unbedingt lesenswert. Mit informativem Nachwort. «Bettina Prior-Kamer, ekz, 27. Februar 2023 Bettina Prior-Kamer, ekz-Informationsdienst

»Loeser entwickelt in Requiem ein atemberaubendes, zunehmend sich verdichtendes und beklemmendes Szenario, in dem er jedoch einen Spalt Hoffnung lässt, dass am Ende doch noch die Menschlichkeit siegt. «Sibylle Peine, Jüdische Allgemeine, 21. Februar 2023 Sibylle Peine, Jüdische Allgemeine

Besprechung vom 05.12.2023

Die ansteckende Diktaturkrankheit
Entdeckung eines Romans über den gesellschaftlichen Zustand des "Dritten Reichs": Karl Alfred Loesers "Requiem" erzählt von einem jüdischen Musiker

"Der Fall Krakau" lautete der ursprüngliche Titel des Manuskripts von Karl Alfred Loeser. Der nunmehrige, "Requiem", stammt von Peter Graf, der den Roman aus Loesers Nachlass herausgegeben hat. Der Hinweis auf die katholische Totenmesse ist irreführend. Im Text geht es um den Lebenslauf eines jüdischen Cellisten. Aber auch die musikalischen Bezüge im Buch sprechen gegen den Titel. Zentraler Komponist im Roman ist Beethoven, aus dessen Feder kein Requiem erhalten ist. In seinem Nachwort schreibt Graf, dass bei Loesers Manuskript "eine Überarbeitung angebracht" war, um "jenen Arbeitsprozess zwischen Autor und Verlag beziehungsweise Lektorat nachzuholen, der gewöhnlich vor Drucklegung eines Manuskripts notwendig und üblich ist". Wie gravierend der Herausgeber dabei in den Text eingegriffen hat, bleibt offen.

Karl Alfred Loeser war ein Schriftsteller, dessen Arbeiten bislang unveröffentlicht blieben. Er wurde 1909 in Berlin geboren, emigrierte als Jude zuerst nach Holland, 1934 dann nach Brasilien, wo er für eine Bank tätig war. Nebenbei hat er geschrieben und musiziert. Wann Loeser gestorben ist, bleibt unklar; aus de Grafs Edition jedenfalls geht es nicht hervor. Der Roman "Requiem" handelt von dem jüdischen Musiker Erich Krakau, der in den Dreißigerjahren in einer westfälischen Stadt um seinen Job im städtischen Orchester fürchten muss. Der untalentierte Fritz Eberle, Sohn eines Bäckers, sieht mit dem aufkommenden Antisemitismus seine Chance gekommen, Krakaus Position als Cellist einzunehmen. Im Verlauf der Handlung spinnt ein Journalist mit Eberle eine Intrige, die dazu führt, dass Krakau bei einem öffentlichen Konzert in Schutzhaft genommen wird. Der Intendant des Stadttheaters bittet den Gauleiter, dem er im Ersten Weltkrieg das Leben gerettet hat, um die Freilassung von Krakau. Am Schluss des Buchs wird Beethovens Oper "Fidelio" aufgeführt, und es findet eine Spiegelung zwischen der Handlung des Textes und dem Geschehen auf der Bühne statt: Ein mutiger Einsatz von Lisa Krakau für ihren inhaftierten Mann wird verglichen mit Leonore aus der Oper, die ihren Gatten Florestan aus dem Kerker befreit. Auch Krakau kommt frei, der Gauleiter erschießt sich, weil er für das falsche System gearbeitet hat, und ein Schankmädchen, das einer konspirativen Gruppe angehört, tötet den Journalisten, der gerade in seiner Wohnung Lisa Krakau unter Druck gesetzt hat.

Die Datierung des Romans ist unklar, er ähnelt in Motiven und Sprache "Doktor Faustus" von Thomas Mann. Auch Sturmtruppen, die in ein Konzert von Krakau eindringen, spielen auf Manns Vortrag "Deutsche Ansprache" von 1930 an, der damals durch die SA gestört wurde. Loeser überträgt die typischen dramaturgischen Bögen einer Oper auf die Handlung seines Buches. "Requiem" gehört aber gleich mehreren Gattungen an: Er ist Kriminalfall, historischer Roman, Liebesgeschichte und soziologische Studie. Fritz Eberle steht für Neid und Dilettantismus, der Journalist entwickelt einen krankhaften Ehrgeiz, Lisa Krakau ist die treue und liebende Ehefrau, die Emotionen ihres Mannes Erich richten sich auf seinen Beruf und die Musik. Es geht in "Requiem" vor allem um die Wahrheit des Herzens.

Doch auch Loesers gesellschaftliche Analyse ist differenziert. Ein Pianist, der mit Erich Krakau eine Cellosonate von Beethoven einstudiert, stellt sich auf die Seite des jüdischen Musikers, obwohl er antisemitisch eingestellt ist. Zu Krakau sagt er: "Nichts gegen Sie persönlich, verehrter Freund, was ich von Ihnen denke, das wissen Sie; ach, warum sind nicht alle wie Sie, glauben Sie mir, es gäbe schon lange keinen Antisemitismus mehr."

Zu den die Handlung vorantreibenden Personen hat Loeser den Mediziner Dr. Spitzer gesellt, einen jüdischen Arzt, der die geschichtliche Situation aus der Distanz betrachtet. Er emigriert mit seiner Familie erst nach Frankreich, dann nach Holland und schließlich in eine niederländische Kolonie. Im Gegensatz zu Krakau, der den Antisemitismus unterschätzt, erkennt Spitzer das historische Schicksal der Dreißigerjahre: "Was da gegenwärtig in der Welt vor sich geht, diese Krankheit, die allerorten ausbricht, wie eine Seuche sich weiter und weiter ausdehnt, ich möchte sie die Diktaturkrankheit nennen, und vergleichbar ist sie vielleicht mit den schwarzen Pocken. Denn, sehen Sie, wer soeben noch mit seiner Immunität, mit seiner Gesundheit prahlt, der mag sich in Wahrheit schon angesteckt haben, den Keim der Pest schon in sich tragen." Spitzer bedient sich aus dem Wörterbuch seines Berufs. Mit medizinischen Ausdrücken erstellt der Arzt eine Diagnose der Zeit.

Loesers Roman ist gelungen, weil er den Geist der Dreißigerjahre abbildet. Der gesellschaftliche Zustand wird zum Wasserzeichen des Textes. Das Unrecht der Zeit hat der Autor exemplarisch anhand des Geschehens um Erich Krakau dargestellt. Der ursprüngliche Titel des Manuskripts, "Der Fall Krakau", deutete darauf hin, dass die Spannung in der Biographie des Protagonisten liegt. Loesers Roman endet glücklich, ähnlich, wie es beim Autor selbst war: "Den Rechtschaffenen, denen, die an eine ausgleichende Gerechtigkeit glauben, mag es vielleicht zum Trost gereichen, dass Erich Krakau und seine Frau wohlbehalten über die Grenze gelangten, trotz aller Gefahren", heißt es im Epilog. THOMAS COMBRINK

Karl Alfred Loeser: "Requiem". Roman.

Hrsg. und Nachwort von Peter Graf. Klett-Cotta: Stuttgart 2023. 320 S., geb.,

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon Sigismund am 01.06.2023
REZENSION - Dem Literatur-Scout und Herausgeber Peter Graf ist mit dem Roman "Requiem" des deutschen Schriftstellers Karl Alfred Loeser (1909-1999) eine literarische Entdeckung gelungen, die es auch etwa 70 Jahre nach Fertigstellung des Manuskripts noch unbedingt zu lesen lohnt. Hauptberuflich als Bankangestellter tätig, war Loeser im Jahr 1934 zunächst nach Amsterdam geflohen, wohin sein älterer Bruder, der Musiker Norbert Loeser (1906-1958) bereits geflohen war, dann aber bald nach São Paulo (Brasilien) emigriert, wo er bis zum Ruhestand weiterhin in einer Bank arbeitete. Außer der Musik frönte er seiner heimlichen Leidenschaft, der Schriftstellerei, und verfasste einige Romane, die allerdings nie veröffentlicht und von der Familie erst nach seinem Tod im Nachlass gefunden wurden. Eines dieser Werke ist sein Roman "Der Fall Krakau", der nun erstmals im Februar als "Requiem" beim Verlag Klett-Cotta erschien. Das Buch zeichnet in 29 Kapiteln, die sich nahtlos zu einer Geschichte fügen, "ein Sittengemälde des nationalsozialistischen Deutschlands vor dem Zweiten Weltkrieg und bevor die Vernichtung der europäischen Juden ins Werk gesetzt wurde", fasst es der Herausgeber im Nachwort zusammen.Nur wenige Monate nach der Machtergreifung der Nazis und nach Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 7. April 1933, das im Deutschen Reich unmittelbar zur Entlassung zahlreicher jüdischer Künstler führte, ist Solo-Cellist Erich Krakau der einzig noch verbliebene Jude im städtischen Sinfonieorchester. Trotz drohender Gefahr und eindringlicher Mahnung seines Hausarztes, der überstürzt nach Amsterdam flieht, denkt Krakau nicht an Flucht. Er lebt in seiner "Welt von Schönheit und Kunst, von Harmonie und Zivilisiertheit" und verdrängt völlig, dass man ihm nach dem Leben trachten könnte. Krakau ist einer jener vielen, die in schrecklichem Irrglauben auf bald wieder bessere Zeiten hoffen: "Unsere Hoffnung ist die Menschlichkeit, unsere Hoffnung, die wir mit Millionen Nichtjuden teilen, ist, dass die Finsternis recht bald einem neuen Licht weichen möge."Doch schon bald wird Krakau das Opfer einer unerwartet hemmungslosen Intrige, in die auch seine Künstlerkollegen zwangsläufig verwickelt und zur eigenen Positionierung im Verhältnis zu ihm, dem Freund und Juden, gezwungen werden: Der unbedarfte 22-jährige Bäckersohn Fritz Eberle, Mitglied eines SA-Sturmtrupps und Amateur-Cellist, verfolgt mit Hilfe seiner brutalen Kumpane sowie eines erfolglosen, aber ehrgeizigen Journalisten sein Ziel, den Juden Krakau zu verjagen und dessen Stelle im Orchester einzunehmen.Loeser schildert auf meisterhafte Weise die Vielfalt der komplexen Gesellschaft aus Mutigen und Feiglingen, aus Gleichgültigen und Tätern. Er zeigt - gewissermaßen als neutraler Beobachter, fast mit einem Anklang von Resignation - die verschiedensten Verhaltensmuster der Menschen in jener Zeit des Umbruchs, ohne zu urteilen oder gar zu verurteilen. Eindrucksvoll sind manche Gespräche wie jenes zwischen dem nur an seiner Karriere interessierten stellvertretenden Gauleiter Stübner und dem alten Rabbiner, den auch nach tagelanger Einkerkerung sein Glaube aufrecht hält: "Reiche sind entstanden, die den ganzen Erdball fast umspannten, und alle sind vergangen wie ein flüchtiger Traum. ... Nur das Wort blieb. Gottes Wort und das Heilige Buch."Der alte, vom Leben gebeutelte Theaterdiener Meier, der sich trotz allem seinen gesunden Menschenverstand bewahren konnte, hat den Kern allen Übels erkannt: "Aber die feinen Herren in den leitenden Positionen auf den obersten Plätzen, die feinen kultivierten Herrschaften haben zugeschaut und die Achseln gezuckt, und wer zuschaut und nichts tut, der hilft mit. ... Damals, als es anfing, hätte man noch etwas erreichen können, eine einmütige, geschlossene Abkehr aller Gutgesinnten und normal Fühlenden hätte die ganze Bewegung moralisch zu Fall gebracht." Doch Loeser nennt die Gründe, weshalb der Lauf der Geschichte ein anderer war.Loesers Roman "Requiem" unterscheidet sich wohltuend von anderer Literatur über jene Zeit. Der Autor verzichtet völlig auf die von anderen Autoren oft gebrauchte und allzu vereinfachende Schwarz-Weiß-Stereotype aus Opfern und Tätern. Er zeigt die unzähligen Grauzonen zwischen den Extremen und nennt nachvollziehbare Gründe für die Entscheidungen und Positionierung Einzelner - ob auf bessere Zeiten Hoffender, ob gedankenloser oder ängstlicher Mitläufer, ob Profiteur, Karrierist oder aktiver Täter. Auch verschweigt er keineswegs, wie beschwerlich und gefährlich es in jener Zeit der Willkür sein konnte, sich dem Sturm zu widersetzen. "Requiem" ist besser als manches Sachbuch über die Anfangszeit des Nazi-Regimes und deshalb nicht zuletzt auch jungen Lesern zum besseren Verständnis jener Jahre zu empfehlen. 
LovelyBooks-BewertungVon Maseli am 03.04.2023
"Requiem" erzählt die Geschichte des herausragenden Cellisten Erich Krakau, der Mitte der 30ger Jahre in einer Stadt in Westfalen Mitte erfahren muss, was es heißt, kein Christ zu sein.Krakau ist Solocellist im städtischen Orchester, ein über die Maßen begabter Musiker, ein ehrenhafter, stiller und arbeitsamer Mensch, der unserem Institut stets zu Ehre gereichte und dies auch heute noch tun würde, wenn er nicht einen Makel hätte, einen heutzutage furchtbaren Makel: Er ist Jude.Die Nationalsozialisten sind an der Macht und Juden soll es verboten werden, in deutschen Orchestern zu spielen. Es gibt zwar noch Ausnahmen, wie im Fall Erich Krakau, doch das soll sich ändern, als der Bäckersohn Fritz Eberle, ein mäßig begabter Musiker, die Stelle im Orchester einnehmen will.... noch nie sah ich so viel Unfähigkeit, gepaart mit einem unerschütterlichen Glauben an sich, noch niemals solche Kraft des Hassens.Als Mitglied der SA holt er sich Unterstützung bei seinen Kameraden und tritt damit eine Lawine los, aus der keiner verschont übrigbleibt. Erich Krakau wird Objekt eines Angriffs und der Kreis beginnt sich um ihn zu schließen.Wozu habe man eine Partei, die Sturmtruppe; was einem durch Leistung nicht gelinge, das erreiche man leichthin mit Drohungen und Gewalt.Meine persönlichen Leseeindrücke"Requiem" - was für ein Roman! Unglaublich, dass dieses herausragende Werk so lange im Verborgenen schlummerte und Jahrzehnte nach seiner Erstehung den weiten Weg nach Deutschland gefunden hat.  In eindringlicher Weise schildert Loeser in einer sehr anschaulichen Darstellung, was in Deutschland nach der Machtübernahme von Hitler geschah und wie diese Verfolgung stattgefunden hatte. Die authentische Beschreibung dessen, was passiert ist, eingepackt in einen sehr interessanten Ton, lässt mich nachvollziehen, wie es tatsächlich gewesen ist das Leben in Deutschland in den 30ger Jahren. Loeser teilt jeder Romanfigur stellvertretend für die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und -gruppen, die in jener Zeit agierten, eine bestimmte Rolle zu und fasst somit übersichtlich und leicht verständlich zusammen, wie die neuen Spielregeln im Deutschen Reich funktionierten.Da ist einmal der junge Fritz Eberle, der die Rolle des kleinen Vorboten spielt. Er ist ein Unbegabter, ein Stümper, ein Unzufriedener, ein Hasser, hinter dem die Masse der Gosse steht, die ganze organisierte Armee, die die Herrschaft innehatte.Dann ist da der Journalist Wendt, der schielende, gewissenlose Opportunist, ein skrupelloser Filou mit zweischneidiger Zunge. Er scheut vor keiner Missetat zurück, um zu bekommen, was er will. Er steht für die Charakterlosen, die vielen Mitläufer, den Wesen ohne Rückgrat und Verantwortung. Es graust einem gar arg vor so einem Individuum.Aber es gibt auch die guten Figuren in "Requiem" wie z.B. den Theaterintendanten und seinen Freund, den Gauleiter. Beide haben zusammen im ersten Weltkrieg gekämpft und noch ein Ehrgefühl für Werte und Gerechtigkeit. Beide haben gesellschaftlich geachtete Positionen inne, doch die politischen Änderungen entzweit beide mehr als sie wahrhaben wollen. Der Gauleiter wird seiner militärischen Ehre durch die Rettung Krakaus gerecht, doch steht der Selbstmord des alten Wehrmachtsoldaten für die Kapitulation der alten Militärgilde vor der neuen Macht der Nationalsozialisten. Eine Entwicklung, die allen Angst macht, die die Gefahr erkennen, egal ob Deutsche oder Juden.Was ist das für ein Staat, der zweierlei Recht hat, für Juden und für Christen, und was ist das für ein Mann, der solchem Staate blindlings dient?Eine besondere Rolle wird Lisa Krakau zuteil. Obwohl sie als liebreizende, schwache junge Frau dargestellt wird, hat sie so endlich viel Courage, dass sich alle anderen eine Riesenscheibe davon abschneiden könnten! Sie stellt sich dem Übel mit all ihrer Kraft und ihrem Mut entgegen und obwohl die Lage ausweglos scheint, schöpft sie all ihre Möglichkeiten aus, um ihren Mann zu retten.Die Menschen haben alle Waffen, und ich, ich bin allein und habe nichts anderes al meinen Mut.Und genau darum geht es in diesem Roman! Jeder Mensch kann etwas bewegen, nur, die meisten denken, ihr Etwas wäre so wenig, dass es sich nicht lohnt, eine Anstrengung zu unternehmen. Und das Unterlassen ist um so viel bequemer, schreibt Loeser. Wie wahr; gerade auch in unserer heutigen Zeit!Aber die" feinen Herren in den leitenden Posten auf den obersten Plätzen, die feinen kultivierten Herrschaften haben zugeschaut und die Achseln gezuckt, und wer zuschaut und nichts tut, der hilft mich, das sage ich.""Requiem" verdankt seine Publikation dem Urgroßenkel des Autors, Felipe Provenzale, der Peter Graf (Herausgeber) das Manuskript mit dem Titel "Der Fall Krakau" zukommen ließ. Es ist Peter Grafs Verdienst diesen bislang unveröffentlichte Roman von Karl Alfred Loeser, der beinahe prophetisch und philosophisch wirkt, dem deutschen Lesepublikum zuzuführen. Denn geschrieben wurde er, bevor die Vernichtung der europäischen Juden ins Werk gesetzt wurde."Niemand von uns", war die Antwort, "hat etwas anderes auf dem Gewissen, als dass er von jüdischen Eltern gezeugt wurde."Fazit"Requiem" von Alfred Loeser ist ein meisterhaft komponierter und exzellent geschriebener Roman, der mir unendlich viel bedeutet, seit ich ihn gelesen habe.Nachwort des Herausgebers Peter Graf: Ein solches Buch ist vor allem auch eine nach außen gerichtete poetische Erinnerungsarbeit, die, obwohl nicht dokumentarisch, sondern fiktional erzählt, über den eigentlichen Erzählgegenstand hinausreicht und indirekt auch auf die unbekannten Schicksale vieler Namenloser verweist. Es ist Zeugnis, Warnung, Anklage und will gelesen werden.