"Requiem" erzählt die Geschichte des herausragenden Cellisten Erich Krakau, der Mitte der 30ger Jahre in einer Stadt in Westfalen Mitte erfahren muss, was es heißt, kein Christ zu sein.Krakau ist Solocellist im städtischen Orchester, ein über die Maßen begabter Musiker, ein ehrenhafter, stiller und arbeitsamer Mensch, der unserem Institut stets zu Ehre gereichte und dies auch heute noch tun würde, wenn er nicht einen Makel hätte, einen heutzutage furchtbaren Makel: Er ist Jude.Die Nationalsozialisten sind an der Macht und Juden soll es verboten werden, in deutschen Orchestern zu spielen. Es gibt zwar noch Ausnahmen, wie im Fall Erich Krakau, doch das soll sich ändern, als der Bäckersohn Fritz Eberle, ein mäßig begabter Musiker, die Stelle im Orchester einnehmen will.... noch nie sah ich so viel Unfähigkeit, gepaart mit einem unerschütterlichen Glauben an sich, noch niemals solche Kraft des Hassens.Als Mitglied der SA holt er sich Unterstützung bei seinen Kameraden und tritt damit eine Lawine los, aus der keiner verschont übrigbleibt. Erich Krakau wird Objekt eines Angriffs und der Kreis beginnt sich um ihn zu schließen.Wozu habe man eine Partei, die Sturmtruppe; was einem durch Leistung nicht gelinge, das erreiche man leichthin mit Drohungen und Gewalt.Meine persönlichen Leseeindrücke"Requiem" - was für ein Roman! Unglaublich, dass dieses herausragende Werk so lange im Verborgenen schlummerte und Jahrzehnte nach seiner Erstehung den weiten Weg nach Deutschland gefunden hat. In eindringlicher Weise schildert Loeser in einer sehr anschaulichen Darstellung, was in Deutschland nach der Machtübernahme von Hitler geschah und wie diese Verfolgung stattgefunden hatte. Die authentische Beschreibung dessen, was passiert ist, eingepackt in einen sehr interessanten Ton, lässt mich nachvollziehen, wie es tatsächlich gewesen ist das Leben in Deutschland in den 30ger Jahren. Loeser teilt jeder Romanfigur stellvertretend für die unterschiedlichen Bevölkerungsschichten und -gruppen, die in jener Zeit agierten, eine bestimmte Rolle zu und fasst somit übersichtlich und leicht verständlich zusammen, wie die neuen Spielregeln im Deutschen Reich funktionierten.Da ist einmal der junge Fritz Eberle, der die Rolle des kleinen Vorboten spielt. Er ist ein Unbegabter, ein Stümper, ein Unzufriedener, ein Hasser, hinter dem die Masse der Gosse steht, die ganze organisierte Armee, die die Herrschaft innehatte.Dann ist da der Journalist Wendt, der schielende, gewissenlose Opportunist, ein skrupelloser Filou mit zweischneidiger Zunge. Er scheut vor keiner Missetat zurück, um zu bekommen, was er will. Er steht für die Charakterlosen, die vielen Mitläufer, den Wesen ohne Rückgrat und Verantwortung. Es graust einem gar arg vor so einem Individuum.Aber es gibt auch die guten Figuren in "Requiem" wie z.B. den Theaterintendanten und seinen Freund, den Gauleiter. Beide haben zusammen im ersten Weltkrieg gekämpft und noch ein Ehrgefühl für Werte und Gerechtigkeit. Beide haben gesellschaftlich geachtete Positionen inne, doch die politischen Änderungen entzweit beide mehr als sie wahrhaben wollen. Der Gauleiter wird seiner militärischen Ehre durch die Rettung Krakaus gerecht, doch steht der Selbstmord des alten Wehrmachtsoldaten für die Kapitulation der alten Militärgilde vor der neuen Macht der Nationalsozialisten. Eine Entwicklung, die allen Angst macht, die die Gefahr erkennen, egal ob Deutsche oder Juden.Was ist das für ein Staat, der zweierlei Recht hat, für Juden und für Christen, und was ist das für ein Mann, der solchem Staate blindlings dient?Eine besondere Rolle wird Lisa Krakau zuteil. Obwohl sie als liebreizende, schwache junge Frau dargestellt wird, hat sie so endlich viel Courage, dass sich alle anderen eine Riesenscheibe davon abschneiden könnten! Sie stellt sich dem Übel mit all ihrer Kraft und ihrem Mut entgegen und obwohl die Lage ausweglos scheint, schöpft sie all ihre Möglichkeiten aus, um ihren Mann zu retten.Die Menschen haben alle Waffen, und ich, ich bin allein und habe nichts anderes al meinen Mut.Und genau darum geht es in diesem Roman! Jeder Mensch kann etwas bewegen, nur, die meisten denken, ihr Etwas wäre so wenig, dass es sich nicht lohnt, eine Anstrengung zu unternehmen. Und das Unterlassen ist um so viel bequemer, schreibt Loeser. Wie wahr; gerade auch in unserer heutigen Zeit!Aber die" feinen Herren in den leitenden Posten auf den obersten Plätzen, die feinen kultivierten Herrschaften haben zugeschaut und die Achseln gezuckt, und wer zuschaut und nichts tut, der hilft mich, das sage ich.""Requiem" verdankt seine Publikation dem Urgroßenkel des Autors, Felipe Provenzale, der Peter Graf (Herausgeber) das Manuskript mit dem Titel "Der Fall Krakau" zukommen ließ. Es ist Peter Grafs Verdienst diesen bislang unveröffentlichte Roman von Karl Alfred Loeser, der beinahe prophetisch und philosophisch wirkt, dem deutschen Lesepublikum zuzuführen. Denn geschrieben wurde er, bevor die Vernichtung der europäischen Juden ins Werk gesetzt wurde."Niemand von uns", war die Antwort, "hat etwas anderes auf dem Gewissen, als dass er von jüdischen Eltern gezeugt wurde."Fazit"Requiem" von Alfred Loeser ist ein meisterhaft komponierter und exzellent geschriebener Roman, der mir unendlich viel bedeutet, seit ich ihn gelesen habe.Nachwort des Herausgebers Peter Graf: Ein solches Buch ist vor allem auch eine nach außen gerichtete poetische Erinnerungsarbeit, die, obwohl nicht dokumentarisch, sondern fiktional erzählt, über den eigentlichen Erzählgegenstand hinausreicht und indirekt auch auf die unbekannten Schicksale vieler Namenloser verweist. Es ist Zeugnis, Warnung, Anklage und will gelesen werden.