Eine wundervolle, historische Familiensaga mit spannender Handlung und brillantem Setting, das in den Leser:innen das Fernweh weckt.
In der letzten Zeit habe ich auch "Fernwehland" von Kati Naumann gelesen. Der Roman ist 2025 bei HarperCollins in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH erschienen und als Familiensaga einzuordnen. Vielen Dank an dieser Stelle auch an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars im Rahmen einer Leserunde auf Lovelybooks.de.Die Astoria ist das älteste seetüchtige Kreuzfahrtschiff der Welt. Seit über siebzig Jahren trägt es die Menschen übers Meer und hat schon unzählige Schicksale bestimmt. Nach einer Kollision mit dem Luxusschiff Andrea Doria wurde es an die DDR verkauft und fortan für Urlaubsreisen eingesetzt. Auf seinen Fahrten bis in die Karibik geraten das Schiff und seine Passagiere auch zwischen die Fronten des Kalten Krieges. Die Stewardess Simone und der Matrose Henri haben sich vor vielen Jahren auf diesem Schiff kennengelernt. Heute treten sie noch einmal eine Kreuzfahrt mit der Astoria und damit auch eine Reise in ihre Vergangenheit an. Denn sie begegnen dabei der Schwedin Frida, die als Kind die Schiffstaufe erlebt hat und deren Geschichte ebenfalls ganz eng mit der des Schiffes verbunden ist."Fernwehland" ist nach "Die Sehnsucht nach Licht" mein zweiter Roman von Kati Naumann, die beide unabhängig voneinander lesbar die Geschichte von Familien über Generationen hinweg in Deutschland beleuchten und dabei Bezug zu Ostdeutschland aufweisen. Daher ist auch "Fernwehland" als (historische) Familiensaga einzuordnen. Die teils auch in der Bewerbung des Buches vorgenommene Kategorisierung als historischer Roman kann ich hier allerdings nur bedingt nachvollziehen, spielt doch ein elementarer Teil der Geschichte im Jahr 2019, also mehr oder weniger in der Jetztzeit, eher hätte man das Buch meines Erachtens noch zur Gegenwartsliteratur zählen können.Denn die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, zum einen in der oben bereits angegebenen Gegenwart, zum anderen in der Vergangenheit, die hier den Zeitraum von 1938 bis in die 1980er Jahre abdeckt. Dabei ist die Handlung durchaus abwechslungsreich und spannend, wenn auch teils vorhersehbar - und dreht sich vor allem um das Schiff, das zu DDR-Zeiten unter dem Namen "Völkerfreundschaft" fuhr. Anhand der Geschichte des Kreuzfahrtschiffes werden auch die gesellschaftlichen Umbrüche und Entwicklungen verdeutlicht - und den Einfluss, den das auf die Leben der Menschen hatte. Erzählt wird der Roman hierbei in einer auktorialen Erzählperspektive, die teils mitten im Kapitel zwischen den Personen hin- und herspringt - etwas klarere Abgrenzungen hätten hier nicht geschadet.Das Setting ist naturgemäß gelungen. Denn die Autorin entführt uns nicht nur nach Radebeul, sondern mit dem Schiff auch rund um die Welt - zum Beispiel nach Kuba, Marokko oder Norwegen. Dabei werden auch historische Ereignisse wie der Zusammenstoß mit der Andrea Doria nicht ausgespart. So verwebt Kati Naumann geschickt die Geschichte der Familien von Henri, Simone und Frida mit der Geschichte des Schiffes - und sorgt dafür, dass man sich auf die Astoria träumt, idealerweise zu frühen schwedischen Luxuszeiten. Auch die eingeschworene Gemeinschaft unter den Besatzungsmitgliedern wird hier gut dargestellt und schafft eine Atmosphäre, die man selbst gern erlebt hätte.Die einzelnen Figuren sind im Wesentlichen vielschichtig angelegt, haben Stärken und Schwächen, eigene Ziele und Motive. Dabei überzeugen insbesondere Elli und Dora als wichtige Nebencharaktere, während gerade Henri teils nicht nachvollziehbar handelt und zum Ende hin etwas zu schnell seine Einstellungen über Bord wirft. Kati Naumanns Schreibstil lässt sich dabei leicht und flüssig lesen und das Kopfkino sofort anlaufen - wie auch bereits schon in ihrem letzten Roman, der gleichsam begeistern konnte.Die Buchgestaltung ist gelungen. Lektorat, Korrektorat und Buchsatz haben sauber gearbeitet, die Kapitel sind dankenswerterweise mit der Handlungszeit überschrieben, die sonstigen Kapitelüberschriften hätte man sich aber schenken können - sie sind jedoch nur mild spoilernd. Das Covermotiv setzt sich über den Buchrücken und die Coverrückseite fort, sodass ein tolles Gesamtbild entsteht, insgesamt ist das Motiv auch ansehnlich, es fehlt jedoch etwas am Bezug zur Handlung. Das unter dem Umschlag befindliche Buch ist schlicht und mit farbigen, aber eintönigen Coverinnenseiten versehen.Mein Fazit? "Fernwehland" ist eine überzeugende Familiensaga, die durch das Setting und die spannende und abwechslungsreiche Handlung brilliert. Für Leser:innen des Genres bedenkenlos zu empfehlen.