Eine gelungene Charakterskizze - aber leider nicht mehr
Frank ist vierzehn und lebt mit seiner Mutter in Wien, in der Wieden, jenem unscheinbar kleinbürgerlichen und doch charmanten Viertel zwischen Belvedere, Karlskirche und Hauptbahnhof. Die Mutter arbeitet in der Volksoper als Schneiderin und Garderoberin - nein, nicht Garderobiere, das ist was anderes, sie nimmt nicht Ihren oder meinen Mantel in Empfang, sondern sie hilft den Künstler_innen in deren Garderobe beim An- und Auskleiden der Kostüme und versorgt sie vor und nach der Vorstellung mit Getränken und so. Mutter und Sohn leben harmonisch, der Vater ist lang schon fort, sie haben wenig Geld, aber sie kommen zurecht, sie sind einander nahe, es ist ein bisschen eine Erich-Kästner-hafte Mutterundsohnbeziehung, wenn die Mutter abends Vorstellung hat, ist Frank viel allein, er macht sich eine Menge Gedanken, wie das junge Leute eben so tun, und Mittwochs kocht er.Das Idyll wird erschüttert, als Franks Großvater, der Vater der Mutter, aus dem Gefängnis entlassen wird. Achtzehn Jahre hat er abgesessen, und jetzt bricht er über die kleine Familie herein, hart und dominant, wortkarg und eigensinnig, brutal, knastklug und schnellentschlossen - wenn einer zu lang zögert und schwach wirkt, hat er es nicht leicht im Häfen. Frank ist abgestoßen von diesem fremden Mann, der in seiner eigenen Welt mit eigenen Werten lebt, und zugleich fasziniert. Eines Nachts knackt der Opa ein Auto (er kann sowas), schließt es kurz und unternimmt mit Frank einen halbtägigen Roadtrip auf der Westautobahn, an dessen Ende eine drastische Konfrontation steht, nach der Frank etwas von der Macht des einsamen Wolfes, der sich nix scheißt, geschmeckt haben wird. Dass diese Macht einen teuren Preis hat, wird er bestimmt auch noch erfahren müssen.Das Aufeinandertreffen zweier so gegensätzlicher Charaktere macht den Reiz des Buches aus, es ist eine Charakterstudie zweier Gestalten, die voneinander angezogen sind, obwohl sie sich unendlich weit entfernt stehen und - wären nicht die familiären Bande - wahrscheinlich einander nie im Leben begegnet wären.Wir erfahren das durch die Brille des Icherzählers Frank, die Erzählstimme fand ich angenehm und authentisch, passend für einen aufgeweckten Vierzehnjährigen (egal, was andere sagen). Was mich gestört hat, war, dass ich aus der Geschichte nichts mitnehmen konnte. Als Fingerübung okay, als Charakterskizze sogar ziemlich gut, aber wo ist die Entwicklung der Figuren, wo die Story über der Story? Watt lernt uns dat? Da wirds dünn, und deshalb hält sich meine Begeisterung am Ende doch in engen Grenzen.