Fesselnd und mysteriös.
Nach einer schmerzhaften Trennung flüchtet Sóldís in einen neuen Job: In einem abgelegenen Haus wird sie zur Haushaltshilfe einer gut situierten Familie.Wenige Wochen später dringt ein Nachbar ins Haus ein, weil er schon längere Zeit nichts mehr von ihnen gehört oder gesehen hat. Er findet sie ermordet vor.Mit Yrsa Sigurdardóttir ist für mich isländische Schauerstimmung garantiert. Auch mit "Nacht" hat sie mich erneut überzeugt.Meiner Meinung nach ist es eine Mischung aus Krimi- und Psychothriller.Der Krimipart wird in der Gegenwart übernommen, weil der Polizist Týr und seine Kollegin, die Gerichtsmedizinerin Iðunn, vor Ort ermitteln. Die schreckliche Bluttat lässt niemanden kalt. Die Nachbarn sind erschüttert und die Polizei steht vor Rätseln, denn Rekonstruktion der Tat spießt sich an einigen Auffälligkeiten. Zum Beispiel hält die Familie Tiere im Stall, die trotz der toten Halter ordnungsgemäß versorgt wurden.Gleichzeitig zum brutalen Massaker hat Týr mit seiner eigenen Vergangenheit zutun. Etwas schwebt wie eine dunkle Wolke über ihm, und so ist es umso interessanter, ihn bei der Arbeit aus seiner Perspektive zu begleiten.In einem weiteren Erzählstrang befinden wir uns wenige Wochen zuvor in der Vergangenheit. Sóldís nimmt die Stelle als Haushaltshilfe an. Sie lernt die Familie und ihre Tätigkeit kennen, dabei ist sie erleichtert, dass sie es so erfreulich getroffen hat. Denn ihre Arbeitgeber scheuen weder Mühe oder Geld, um ein behagliches Zuhause zu schaffen. Damit hat die Studentin den richtigen Ort gefunden, um sich zu finden und neu anzufangen.Die Vergangenheit wird aus Sóldís' Perspektive geschildert und man fühlt sich dabei in die junge Frau ein. Sie steht vor einem neuen Lebensabschnitt und muss erst verkraften, dass dieser für sie unerwartet gekommen ist. Die Beziehung ist vorbei, das Studium steht vor dem Abschluss und nun überlegt sie, wie es weitergeht. Genau zur rechten Zeit kam daher diese Anstellung, die sie als Zwischenstation, zum Herunterkommen und zur Orientierung, nutzen will.Doch das anfängliche Wohlbefinden bröckelt, als Sóldís von mysteriösen Vorfällen gepeinigt wird. Bildet sie sich die Zwischenfälle ein oder wird sie tatsächlich - sogar vom Übernatürlichen - gequält?Yrsa Sigurdardóttir weiß, wie man die Leser:innen fesselt. Die Atmosphäre ist packend komponiert: Das Haus liegt abgelegenen und die Familie lebt äußerst zurückgezogen. Nur wenige Nachbarn sind einen strammen Fußmarsch entfernt, während man nachts durch die imposante Verglasung des Hauses in die nächtliche Finsternis starrt.Die Abwechslung mit dem Gegenwartsstrang der Ermittlungen facht die Spannung ordentlich an, weil diese präzise aufeinander abgestimmt sind. Sobald nach den Morden eine Ungereimtheit auffällt, wird man im Vergangenheitsstrang genau an ebendiesen Punkt geführtZudem kommen unerwartete Wendungen und tragische Erkenntnisse, die ich äußerst fesselnd zu lesen fand.Ich bin in den Vergangenheits- und Gegenwartsstrang des Thrillers gleichermaßen eingetaucht. Dabei wüsste ich nicht, welcher mich mehr gepackt hat. Die Tragik der Morde hat mich im Gegenwartsstrang schockiert, während ich mich in der Vergangenheit genau wie Soldis vor den mysteriösen Ereignissen ein bisschen gefürchtet habe. Nicht nur die Begebenheiten im Haus sorgen für ein Grund-Gruseln, sondern auch die Familie an sich hat für manchen Schauer gesorgt.Das Ende fand ich nicht überraschend, dennoch habe ich das Buch mehr als zufrieden zugeklappt. Denn Yrsa Sigurdardóttirs Romane liegen weitab vom Gewöhnlichen. Sie schaffte es wieder einmal, ihren Thriller mit dem düster-drückenden Yrsa-Hauch zu versehen."Nacht" ist fesselnd, mysteriös und zieht aufgrund der isländischen Schauerstimmung sofort in die Handlung rein. Daher freue ich mich umso mehr, dass die Ermittlungen mit Týr und Iðunn im weiteren gemeinsamen Fall "Rauch" weitergehen.Die Reihe um Týr & Iðunn:1) Nacht2) Rauch