In "Bummelzug nach Istanbul" begleiten die Leser Tom Chesshyre bei einer Fahrt mit 55 Zügen (und gelegentlichen anderen Verkehrsmitteln) durch einen Teil Europas - ein durchaus interessantes Unterfangen. Inspiration ist der Orient-Express, aber Tom und sein Kumpel Danny entscheiden sich für eine günstigere Alternative und fahren die Route per Interrail ab. Das bringt natürlich noch eine ganze andere Note in die Reise und führt zu einigen kuriosen Erlebnissen.Das Material für ein unterhaltsames Buch ist also vorhanden. Die Umsetzung hat mich nicht vollständig überzeugt, aber insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen. Der Schreibstil ist in Ordnung, aber nicht mehr - der Autor ist Reisejournalist und vielleicht deshalb an das eher nüchtern Berichtende gewöhnt, denn den Texten fehlt es etwas an Pfiff und auch an Charme. Sie schwächeln meistens da, wo es sich vom rein Beschreibenden entfernt. Die Übersetzung ist überwiegend gut, weist aber leider einige kleine Holperer auf und irritiert mehrfach dadurch, daß sie an der englischen Satzstellung kleben bleibt, was zu unschönen bzw. sogar falschen Satzstellungen führt, z.B. "Dafür musste man den richtigen Zug gebucht und aktiviert haben in der Eurail-App", "Damals kosteten Interrail-Pässe 27,50 Pfund und man konnte mit ihnen einen Monat lang unbegrenzt fahren (was heute etwa 360 Pfund entspricht)" oder "Die Restaurants waren voller Menschen, die Ouzo tranken und gegrillte Sardinen aßen neben dem Weißen Turm". Solche Fehler haben in einer guten Übersetzung nichts zu suchen.Inhaltlich bietet Chesshyre eine Mischung aus Reiseeindrücken, philosophischen Gedanken, Begegnungen/Unterhaltungen und historischen Informationen. Das ist an sich eine tolle Mischung, auch wenn die philosophischen Gedanken verzichtbar gewesen wären. Häufig streut der Autor Informationen über den historischen Orient-Express ein, was mir ausgezeichnet gefallen hat und immer wieder die Verbindung zur Motivation der Reise herstellte. Auch zu den besuchten Orten gibt es historische und andere Hintergrundinformationen, die interessant zu lesen waren. Überflüssig fand ich dagegen die ausführlichen Berichte darüber, was Chesshyre an manchen Tagen in der Zeitung las, inklusive seiner Gedanken dazu. Hier und da eine Schlagzeile, wenn sie etwas Besonderes hat, ist eine gute Idee, aber hier wurde das zu ausführlich gehandhabt. Ich hatte generell öfter das Gefühl, daß der Autor bei der Auswahl, was vom Erlebten ins Buch kommt, nicht immer ein gutes Gespür bewies. Gespräche mit originellen Mitreisenden oder Menschen vor Ort können Reiseberichten eine witzige Note verleihen, aber in diesem Buch werden zahlreiche Begegnungen ausführlich geschildert, die gar nichts Interessantes enthalten. Auch die Gespräche mit Chesshyres vorwiegend missmutigen Kumpel Danny schwächen das Buch eher, und die häufigen Wiederholungen sowie die ständigen Verweise darauf, daß man ja "ein Mann mittleren Alters" sei und wie erstaunlich es doch sei, daß man mit einer App umgehen könne, enervierten.Insofern gab es durchaus einige Passagen, bei denen ich mich fragte, warum sie Eingang in das Buch gefunden hatten. Die Beschreibungen der besuchten Orte waren dagegen überwiegend interessant, auch weil der Autor hier eher selten klassische Sehenswürdigkeiten besucht, sondern auch oft ziellos herumschlendert und Eindrücke berichtet, die man als Tourist eher nicht erlebt. Farbige Hochglanzreisebeschreibungen kann man hier nicht erwarten, das ist nicht die Intention des Buches. Diese Herangehensweise gefiel mir, wenn sie auch durch eine etwas weniger trockene Erzählweise gewonnen hätte. Trotzdem finden sich vereinzelt köstliche oder poetische Formulierungen. Insgesamt habe ich von den diversen, sehr unterschiedlichen, Zügen und den besuchten Städten (samt ihrer immer beschriebenen Bahnhöfe) einen anschaulichen Eindruck bekommen und konnte mit dem Buch auf eine unterhaltsame Entdeckungsreise gehen. Komplettiert wird dies leider nur von wenigen Fotos - im vorderen Klappenbroschur findet sich eine kleine Collage von dreizehn Fotos. Eine nette Idee, aber abgesehen von der geringen Anzahl und Größe sowie davon, daß eines der Fotos fast komplett von den anderen verdeckt ist, fehlt hier eine Beschriftung oder Liste, was dort zu sehen ist. Das ist nicht immer relevant - ein Schälchen Fritten ist ein Schälchen Fritten -, aber gerade bei den diversen Bahnhöfen hätte mich interessiert, welcher jeweils abgebildet ist.Insgesamt hätte man an "Bummelzug nach Istanbul" also noch einiges verbessern können. Die Idee allerdings ist ausgezeichnet, die Liebe zu Zügen und Bahnhöfen merkt man dem Autor an und die Reise durch bekannte und weniger bekannte Orte macht Spaß.