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Lina reist mit leichtem Gepäck. Denn sie hat nicht vor zu bleiben. Was in ihrem Heimatort auf sie wartet, wiegt schwer. Und dabei weiß sie noch längst nicht alles. Doch weil es summt und leuchtet und duftet im Wald, geht sie nicht in die Knie, sondern weiter.
Selbstmitleid ist Lina fremd, denn sie hat reichlich Humor. Doch woher all die Wut kommt, die mitunter aus ihr herausbricht? Sie scheint dann ganz außer sich, völlig daneben. Weil wohl einfach zu viel zusammengekommen ist. Kein kleines Familiendrama, ein großes. Ihre Zwillingsschwester Luise ist spurlos verschwunden. Vor Jahren. Schon lange lebt Lina deshalb nicht mehr in Wildhof. Jetzt aber muss sie dorthin zurückkehren, um aufzuräumen, nachzuforschen, zu begraben und abzuschließen. Gut dreißigjährig und frisch verwaist sucht sie nun einen Käufer für das Elternhaus und findet wieder, was auf immer versunken schien. Auch endlich eine Spur. Denn Luise hat ihr einen Wegweiser hinterlassen . . . In einer Gegenwart, in der sie gehalten wird vom durchsonnten Wald und von alten Freundschaften, kratzt Lina beidhändig die vermooste Vergangenheit frei. Und damit ihre eigene Zukunft. Ein sinnliches Buch, voller Gefühle, Gerüche und Geräusche, angespannt und spannend bis zum Schluss.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
20. Februar 2025
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
202
Reihe
Quartbuch
Autor/Autorin
Eva Strasser
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
360 g
Größe (L/B/H)
218/139/24 mm
ISBN
9783803133731

Portrait

Eva Strasser

Eva Strasser, aufgewachsen im Schwarzwald, studierte Philosophie sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und an der Freien Universität Berlin, anschließend Drehbuch an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Sie schreibt neben Drehbüchern auch Musicals, Hörspiele und Prosa. Die Autorin lebt mit ihrer Familie und Hund in Berlin.

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Von Christian1977 am 24.02.2025

Die Geister der Vergangenheit

Als die gut 30-jährige Lina das Haus ihrer kürzlich bei einem Unfall verstorbenen Eltern in Wildhof betritt, glaubt sie ihren Augen nicht zu trauen. Das Haus am Rande des Schwarzwalds ist völlig heruntergekommen, in der Küche liegen tote Ratten. Mutter Henny war zuletzt schwer alkoholabhängig und auch Vater Richard konnte den Verfall von Haus und Familie nicht stoppen. Obwohl Lina möglichst schnell für Ordnung sorgen und das Haus verkaufen will, lässt sie der Ort ihrer Kindheit nicht los. Denn vor 20 Jahren verschwand genau dort kurz vor ihrem 13. Geburtstag ihre Zwillingsschwester Luise und wurde bis heute nicht wiedergefunden. Je länger sich Lina in Wildhof aufhält, desto präsenter werden die Geister der Vergangenheit... "Wildhof" ist der Debütroman von Eva Strasser, der bei Wagenbach erschienen ist. Strasser erzählt darin erstaunlich souverän und vor allem sprachlich und atmosphärisch unglaublich stark und intensiv. Das hat zeitweise etwas von einem dunklen Märchen, und auch das düstere Cover passt hervorragend zur schaurig-schönen Atmosphäre. Fantastisch und lebhaft sind vor allem die Naturbeschreibungen des Waldes, des Gartens, der gesamten Umgebung von Linas Elternhaus. Lina selbst ist eine interessante Protagonistin mit Ecken und Kanten. Von Beginn an wirkt sie einerseits verletzlich, andererseits verfügt sie nicht ohne Grund über eine Bewährungshelferin. Mit ihr und dem Haus in Wildhof scheinen auf den ersten Blick zwei Welten aufeinanderzuprallen. Dort das Haus am Rande der Zivilisation, wo Linas Handy nur mit viel Glück Empfang hat. Auf der anderen Seite Lina, die gerade für eine IT-Firma erfolgreich eine App entworfen hat. Mit ihrem zeitweilen Knurren und ihrem schwarzen Humor wächst sie den Leserinnen unmittelbar ans Herz. Das erzählerische Präsens sorgt für eine große Unmittelbarkeit, die das Unheimliche, das Rätselhafte, was immer wieder Einzug in Wildhof hält, noch verstärkt. Da sieht der Ball des vor langer Zeit verstorbenen Hundes plötzlich wieder wie neu aus, die Kuckucksuhr ist aufgezogen. Und bildet sich Lina eigentlich nur ein, im Haus auch irgendwo immer Luises Kichern zu hören? Nun sollte man nicht den Fehler begehen, "Wildhof" als Genreliteratur einzustufen, auch wenn Eva Strasser überaus gekonnt mit Elementen der Schauergeschichte spielt und immer mal wieder auch ganz märchenhaft Zauberwesen und Feen zumindest auf der Metaebene einfließen lässt. Dafür sind die behandelten Themen viel zu ernst. Denn "Wildhof" stellt die ganz großen Fragen nach Schuld, Tod, Trauer, Liebe und Familie. Seine stärksten Momente hat das Buch immer dann, wenn Lina sich an ihre Kindheit mit Luise erinnert. Insbesondere erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine Gewitterszene, in der Strasser auf poetische Weise so intensiv darstellt, was Kindheit überhaupt ausmacht. Der Geruch des Regens, der wohlige Schauer, der einen als Kind bei einem Donner überfiel - das ist so bemerkenswert plastisch, dass ich nicht nur, aber vor allem in dieser Szene unglaublich berührt und von einer Gänsehaut überfallen wurde. Gelungen auch, wie Strasser mit den Gedankengängen ihrer Hauptfigur spielt. Denn wenn sich Linas Gedanken überschlagen, werden auch die Sätze gefühlt unendlich lang, wodurch die Leser diesen Rausch mit der Protagonistin teilen dürfen. Nun könnte man den Roman nach 187 Seiten zuschlagen und wäre rundum begeistert: Was für eine Geschichte, was für eine Sprache, was für ein rundum gelungenes Debüt! Doch leider hat das Buch 203 Seiten und im finalen Twist verhält sich eine Figur aus Linas Umfeld so unglaubwürdig, unlogisch und konstruiert, dass es ein Ärgernis ist. Das Spektakel, was folgt, hätte "Wildhof" in seiner ansonsten so zauberhaft-atmosphärischen Art jedenfalls nicht nötig gehabt. Insgesamt habe ich den Roman jedoch sehr gern gelesen und freue mich schon auf weitere Werke dieser aufregenden neuen Stimme der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 4,5/5