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Deutschstunde

Hamburger Ausgabe Bd. 7

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Hamburger Ausgabe der Werke. Eine lesefreundliche Studienausgabe, alle Texte durchgesehen und mit den Originaltyposkripten und Erstdrucken verglichen. Jeder Band erhält einen ausführlichen Kommentar zur Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte.

Siegfried Lenz' berühmtester Roman, sein Opus magnum über Siggi Jepsen, Insasse einer Anstalt für schwererziehbare Jugendliche, seinen Aufsatz über die »Freuden der Pflicht« und seine Abrechnung mit dem Vater, dem Dorfpolizisten und dessen unrühmlicher Rolle in Nazideutschland gegenüber seinem Malerfreund Nansen. 1968 erschienen, ist die »Deutschstunde«, in mehr als 20 Sprachen übersetzt und über 2, 2 Millionen Mal verkauft, ein Meilenstein der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
20. Januar 2017
Sprache
deutsch
Seitenanzahl
760
Reihe
Siegfried Lenz Hamburger Ausgabe, 7
Autor/Autorin
Siegfried Lenz
Herausgegeben von
Günter Berg, Heinrich Detering
Verlag/Hersteller
Produktart
gebunden
Gewicht
865 g
Größe (L/B/H)
207/141/50 mm
ISBN
9783455405972

Portrait

Siegfried Lenz

Siegfried Lenz, 1926 im ostpreußischen Lyck geboren, gestorben 2014 in Hamburg, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern der deutschsprachigen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Seit seinem Debütroman Es waren Habichte in der Luft von 1951 veröffentlichte er alle seine Romane, Erzählungen, Essays und Bühnenwerke im Hoffmann und Campe Verlag. Mit den masurischen Geschichten So zärtlich war Suleyken hatte er 1955 seinen ersten großen Erfolg, Sein Werk ist geprägt von der Auseinandersetzung mit gesellschaftskritischen Problemen (z. B. Der Mann im Strom, 1957, oder Brot und Spiele, 1959) und mit dem Nationalsozialismus bzw. seiner Aufarbeitung. Zu Lenz größtem Erfolg wurde der 1968 erschienene Roman Deutschstunde. Bis heute ist die Geschichte eines Polizisten, der im Nationalsozialismus das Malverbot seines Freundes überwacht, eine bestechende Entlarvung eines pervertierten Pflichtgefühls. Das Buch wurde verfilmt, avancierte zur Pflichtlektüre an Schulen und war international ein großer Erfolg. Der Deutschstunde folgten viele weitere große Romane (Das Vorbild, 1973, Heimatmuseum, 1978, Der Verlust, 1981, Exerzierplatz, 1985, Die Auflehnung, 1994, Landesbühne, 2009), welche Siegfried Lenz neben Schriftstellern wie Heinrich Böll, Günter Grass oder Martin Walser zu einem der wichtigsten deutschen Gegenwartsautoren machte. Sein zweiter Roman Der Überläufer erschien postum im Jahr 2016 und wurde ein großer Erfolg. Für seine Bücher wurde er mit zahlreichen bedeutenden Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main, dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, dem Gerhart-Hauptmann-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte 2009.

Pressestimmen

»Ein Meisterwerk, dessen Ernst voller Trauer ist - wie es nur bei einem Beobachter sein mag, der Humor hat. « Die Zeit

»Es ist ein überwältigender Roman - überwältigend in seiner Weite, Intelligenz, Empathie und Subtilität. « Richard Ford, Die Welt

»einem der großen Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur« dpa

»Die »Deutschstunde« ist eine Geschichtsstunde. Manch einem täte es dieser Tage gut, das berühmte Werk von Siegfried Lenz zur Hand zu nehmen. « Mark Spörrle, Zeit Online

»Für Siegfried Lenz ist sie eine große Stunde. Für seine Leser ist es ein Roman, den sie nicht nur einmal lesen werden. « Welt am Sonntag

»Eines der erfolgreichsten Bücher überhaupt in der deutschen Sprache (. . .) und eines der einflussreichsten. « Nora Bossong, SWR

»Siegfried Lenz' "Deutschstunde" zählt zu den wichtigsten Romanen der deutschen Nachkriegszeit und wurde nun endlich verfilmt. « Sat. 1

»Siegfried Lenz war einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller. « Lien Kaspari, Bild Hamburg

»Aus heutiger Sicht immer noch großartig! « Res Strehle und Claudia Storz, SRF BuchZeichen

»Schlüsselwerk in der Aufarbeitung des Nationalsozialismus. « in der B. Z. am Sonntag, Ulrich Noethen

Besprechung vom 14.04.2019

"Deutschstunde", wiedergelesen

Was bedeuten die nationalsozialistischen Verstrickungen Emil Noldes für Siegfried Lenz' Roman, der den Maler zum Vorbild seiner zentralen Figur nahm?

Vor fünf Jahren hatten wir die ganze Diskussion schon mal. Da hing Emil Nolde auch schon im Kanzleramt - und wurde damals nicht abgehängt. Warum eigentlich nicht? Im Frankfurter Städel eröffnete im März 2014 eine Nolde-Retrospektive, die den Nationalsozialisten und Antisemiten Nolde zum Thema machte. "Was bleibt nun von seinem Werk?", wurde damals gefragt. Und mit Blick auf Siegfried Lenz' berühmten Roman "Deutschstunde", der nicht nur in Schulklassen, sondern auch sonst überall als ein Roman über Emil Nolde gelesen wurde: "Was passiert mit einem Roman, dem mehr als vierzig Jahre nach dem Erscheinen seine zentrale Figur abhandenkommt - und damit auch ein Gutteil an Glaubwürdigkeit?"

Es passierte so gut wie nichts. In der öffentlichen Wahrnehmung blieb der Mythos Nolde unangetastet. Und die "Deutschstunde" wurde weiter als ein Lehrstück gelesen, in dem der expressionistische Maler Max Ludwig Nansen, gegen den im Jahr 1943 ein Malverbot verhängt wird, als Emil-Nolde-Figur verstanden wurde: ein Künstler, der in Zeiten des Nationalsozialismus inneren Widerstand leistet und sich gegen Schikanen behauptet. Welche Konsequenzen also hatte der bekanntgewordene Antisemitismus Noldes für die Leser des Romans? "Ganz einfach: keine", konnte man 2014 in der "Süddeutschen Zeitung" lesen, die die Diskussion darüber, ob sich in der Wahrnehmung des Werks etwas ändern müsse, auch noch vor einem halben Jahr als "überflüssige Debatte" bezeichnete. Das Nolde-Problem wurde so erfolgreich wegmoderiert, dass jetzt, wo im Hamburger Bahnhof in Berlin die große Nolde-Ausstellung eröffnet worden ist, sich alle wieder neu erschrecken, ganz so, als hätten sie vom Nazitum und Judenhass des Malers noch nie gehört.

Um zu verstehen, wieso bei Nolde das Vergessen so ungeheuer gut funktioniert, muss man wissen, dass die Nolde-Stiftung Seebüll über viele Jahre hinweg erfolgreich versucht hat, das Erbe des Malers makellos zu halten. Aber es ist nicht nur das. Man kommt auch an Siegfried Lenz' "Deutschstunde" nicht vorbei. Denn der 1968 veröffentlichte Roman, in dem ein Junge namens Siggi Jepsen wegen einer Reihe von Bilddiebstählen in einer Anstalt für schwererziehbare Jugendliche einsitzt und eine Strafarbeit über die "Freuden der Pflicht" schreiben muss, ist bis heute so sehr mit dem Namen Nolde verbunden, dass die Fiktion größer ist als die Wirklichkeit. Sie ist sogar so groß, dass viele, wenn sie an den Maler Emil Nolde denken, eigentlich Siegfried Lenz' Figur Max Ludwig Nansen im Kopf haben. Auch das ist eine Wirkung von Literatur.

Dem Jungen im Roman fällt beim Begriff "Pflicht" vor allem sein Vater ein, der als nördlichster Polizeiposten Deutschlands den Befehl erhält, den Künstler Nansen zu überwachen. Diesem ist von den Nazis ein Malverbot auferlegt worden. Der Polizist droht ihm die Beschlagnahmung und Zerstörung seiner Bilder an. Siggi Jepsen beobachtet seinen Vater. Er liegt in seinem Kinderversteck - und schlägt sich auf die Seite des Malers. Beide nehmen die Sache so ernst, dass sie auch nach dem Krieg nicht damit aufhören können: Der Vater verfolgt den Maler auch ohne Nazis weiter. Und der Sohn, der immer noch glaubt, den Maler schützen zu müssen, stiehlt dessen Werke aus einer Ausstellung, wofür er zu einer Jugendstrafe verurteilt wird.

Im Mai 1969, also ein Jahr nach Erscheinen des Romans, schrieb Marcel Reich-Ranicki, damals Literaturkritiker bei der "Zeit", einen Brief an seinen Freund Lenz: "Ist es vielleicht möglich, dass der Erfolg der ,Deutschstunde' nicht nur mit den starken, sondern auch und vor allem mit den schwachen Seiten dieses Buchs zusammenhängt?" Lenz antwortete, er habe wirklich noch nie von einem Leser gehört, der sich ein Buch kaufe, um sich "an den Schwächen und Makeln seines Autors zu begeistern". Aber Reich-Ranicki insistierte: "Die Frage ist, ob Du nicht mit gewissen eher fragwürdigen Elementen in dem Roman einem eher fragwürdigen Publikumsgeschmack entgegenkommst."

Liest man das Buch jetzt wieder, meint man sofort zu verstehen, was Reich-Ranicki meinte. Denn die Figuren sind bei Lenz so klar umrissen, so überdeutlich gezeichnet (der Dorfpolizist als Pflichterfüller und Vertreter des Gesetzes, der Künstler ein Freigeist, der jugendliche Rebell als Retter eines widerständigen Vermächtnisses), dass sie zum Lehrstück besonders geeignet sein mögen, ihnen aber jede Ambivalenz fehlt. Siegfried Lenz selbst hielt den Maler in seinem Roman für "durchaus ambivalent". Das sagte er nach der Eröffnung der Nolde-Retrospektive 2014 bei einem Auftritt im Literaturarchiv Marbach, als er gefragt wurde, was er über den realen Nolde wusste. Der sei wohl "ein problematischer Mensch" gewesen und habe sich politisch "ein bisschen katastrophal" verhalten, sagte er. Mehr nicht.

Tatsächlich wusste er bereits bei der Arbeit an der "Deutschstunde" über die nationalsozialistischen Verstrickungen des Malers Bescheid, unter anderem durch eine Festrede, die der Rhetorikprofessor Walter Jens im August 1967 zum 100. Geburtstag Noldes in Seebüll gehalten und von dessen Idealen der "Reinrassigkeit" gesprochen hatte; von einem, der "die Zukunft der Kunst" mit "judenferner Kunst" gleichsetzte. Günter Berg hat dies in der Hamburger Ausgabe der Lenz-Werke zusammengefasst. In sein Buch nahm Lenz das nicht auf. Das musste er auch nicht. Er schrieb einen Roman. Der Maler darin hieß Nansen und nicht Nolde (der als Hans Emil Hansen geboren wurde). Das Problematische und Katastrophale seines realen Modells, die Ambivalenzen, interessierten ihn für seine "Deutschstunde" offenbar nicht. Aber es hätte uns interessieren müssen. Dass Angela Merkel das Nolde-Bild im Kanzleramt nun abgehängt hat, ist eine gute Entscheidung auch deshalb, weil damit die Routine unterbrochen ist, an die märchenhaft klar umrissenen Charaktere der "Deutschstunde" zu glauben. Der Roman bleibt der Roman. Man kann ihn finden, wie man will. Nolde aber ist nun nicht mehr der Maler aus der "Deutschstunde". Er ist der, der im Kanzleramt abgehängt wurde, und es gilt, sich zu erinnern, warum.

JULIA ENCKE

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.

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LovelyBooks-BewertungVon 1Leseratte am 26.11.2024
schwer zu lesen...abgebrochen
LovelyBooks-BewertungVon dunis-lesefutter am 17.08.2024
Ein wichtiges Buch zur Aufarbeitung deutscher Geschichte, leider manchmal etwas langatmig Wer von euch hält sich für pflichtbewusst? Finger hoch!¿¿Uwe Jepsen ist ein Ausbund an Pflichtbewusstsein. So sehr, dass er sogar über die Gültigkeit der Pflicht hinaus es für seine Aufgabe hält, ihr nachzukommen.Er ist Polizist im fiktiven Rugbüll unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, die gegen den Maler Max Ludwig Nansen (eine Reminiszenz an Nolde/Beckmann/Kirchner) ein Malverbot verhängt haben. Jepsen überbringt die Botschaft und beaufsichtigt gewissenhaft die Entsorgung der Kunstwerke und die Einhaltung des Verbots. Sein Sohn Siggi versteht die Hartherzigkeit des Vaters nicht. Er versteckt Bilder des Malers. Als die Schreckensherrschaft endet fühlt sich Uwe Jepsen nach seiner Entnazifizierung immer noch dafür verantwortlich, den Maler zu schikanieren und seine Bilder zu vernichten. Als er seinem Sohn auf die Schliche kommt, der gegen ihn arbeitet, nimmt er auch diesen in die Mangel. Siggi entwickelt daraufhin die Manie die Bilder des Malers entwenden und verstecken zu müssen. Er wird erwischt und landet in einer Erziehungsanstalt. Dort schreibt er einen Aufsatz über die "Freuden der Pflicht" und das Ergebnis lesen wir in dem Roman.Siegfried Lenz Meisterwerk wurde nach seinem Erscheinungsjahr 1968 eins der meistverkauften Bücher in der die Deutschstunde nicht nur einen Aufsatz darstellt, sondern auch deutsche Geschichte aufarbeitet. Schnell wurde es zur Schullektüre. Ich habe es allerdings jetzt zum ersten Mal gelesen.Lenz hat hier gleich dreimal Menschen in die Pflicht genommen. Uwe Jepsen, der aus blindem Gehorsam Macht ausübt und sie in Pflichtbewusstsein verkleidet, den Maler Nansen, der es unermüdlich als seine Pflicht ansieht sich dem Druck des Polizisten nicht zu beugen und letztendlich Siggi, der sie umkehrt und eine pathologische Pflicht entwickelt, die Bilder zu retten.Uwe Jepsen ist ein kalter, von sich selbst und den Menschen enttäuschter Mann, der sogar seine Söhne opfern würde, um nach außen hin als fleißiger und gewissenhafter Staatsdiener dazustehen. Er ist blind für Veränderung und die Gefühle seiner Familie.Der Plot ist in Norddeutschland angesetzt, und der Menschenschlag ist auch durch die Sprache gut wiedergegeben. Mir war's allerdings das ein ums andere Mal zu ausschweifend und 200 Seiten weniger hätten dem Roman ganz gut getan.Durch die Fülle an direkten und indirekten Dialogen, in denen sich Sätze wiederholten und Gespräche stattfanden, die nichts zur Handlung beitrugen, wich die Handlung immer wieder ab, was dem Spannungsbogen schadet. Lenz bediente sich da beides stilistischen mittels wörtliche Rede nicht durch Anführungszeichen zu kennzeichnen, also damals gab's das auch schon.Die Geschichte wird in zwei Perspektiven erzählt, jeweils von Siggi's Ich ausgehend: im Rückblick und in der damaligen Gegenwart der Besserungsanstalt. Zum Schluss hätte ich mir den Plot etwas runder gewünscht, wobei ich mit dem offenen Ende gut leben kann.Inhaltlich ist dies aber ein wichtiges Buch und die Frage danach, wann Verantwortungsbewusstsein endet und Machtmissbrauch beginnt, ist auch heute wieder aktueller geworden.Die Parallelen zu realen Malern sind mir sofort ins Auge gefallen. Allerdings scheint Lenz, als er den Roman geschrieben hat, die nationalsozialistische Vergangenheiten Noldes noch nicht klar gewesen zu sein.Ein wichtiger, moderner Klassiker, der manchmal etwas ausufert, trotzdem aber lesenswert deutsche Geschichte aufarbeitet.