Wir befinden uns im Jahr 1929 und die junge Simone de Beauvoir ist von Jugend an regelrecht besessen vom Schreiben und möchte unbedingt studieren, lesen, schreiben, lesen. Die hochbegabte und hochintelligente Frau gibt nichts auf die von der Gesellschaft geforderten Ansprüche an Frauen und wie sie zu leben haben. Ihre Welt sind die Bücher, die Worte der Philosophen, sie saugt alles in sich auf, ist wissbegierig, stellt die richtigen Fragen und denkt selbstständig. Soweit, so gut. Das fand ich sehr sympathisch.
Im sozialen Miteinander war Simone jedoch oft sehr forsch und schroff, ungeduldig mit ihren Mitmenschen, meistens weil sie nicht so schnell denken konnte wie sie, dann wieder sehr sanft und empathisch, alles in allem keine einfache Persönlichkeit. Es zog sie schon immer zu den intellektuellen Außenseitern hin und so lernte sie auf der Universität den etwas älteren und ebenfalls hochbegabten Studenten Jean-Paul Sartre kennen, ein intellektuelles Genie, der was Bücher, Lesen und Schreiben betraf, völlig auf Simones Wellenlänge lag und die beiden konnten sich quasi Tag und Nacht über Bücher austauschen. Sartre war seiner Zeit ein Genie und er war ein Narzisst. Klein von Wuchs, völlig unattraktiv, jedoch absolut ehrgeizig, nicht nur intellektuell, sondern auch in seiner Manie jede Frau ins Bett zu bekommen, die nicht bei drei auf dem Baum war.
Simone und Sartre begannen ein Verhältnis. Sie wurde seine Geliebte und schlossen einen Pakt, denn wie bürgerliche Leute einfach heiraten wäre spießig. Nein, ihre Seelenverwandtschaft und ihr intimes Zusammensein, sollte auf unbestimmte Zeit geschlossen sein, jedoch zu den Bedingungen, die sie gemäß ihrer intellektuellen Elite wie sie sie verstanden. Ihre Liebe, die ich während des Lesens als Hörigkeit empfand, sollte ihre sexuelle Freiheit sichern. Jeder sollte lieben können wen er gerade will und da sie sich ja alles erzählen, besonders Sartre schilderte in allen Einzelheiten seine Seitensprünge, die ja keine waren, denn sie waren ja beide so frei. Und somit schlossen und öffneten sich polyamouröse und bisexuelle Kreise, Partner und Partnerinnen wechselten sich munter ab, es gab etliche Nervenzusammenbrüche, es wurde gelogen und betrogen, teilweise über viele Jahre, Menschen wurden verletzt und es gab Verhältnisse mit Abhängigen und das alles wurde dann in den jeweiligen Büchern dieser so hochgelobten Autoren als Freiheit verkauft. Ich hatte schon das eine oder andere Mal Brechreiz verspürt beim Lesen. Simone litt sehr unter Sartres Fremdgehen und hielt dennoch an dieser hörigen Liebe fest, war auch kein Kind von Traurigkeit und ich konnte ihr das Schreiben und das Gerede von Freiheit am Ende nicht mehr abnehmen. Ich hatte den Eindruck, jeder rennt seiner Lust nach, doch verkauft es intellektuell als Freiheit und Liebe. Würde man es Egozentrik nennen, käme es der Wahrheit wohl näher.
Simone de Beauvoir kämpft um ihren schriftstellerischen Erfolg, viele Verlage lehnen ihre Texte als unpassend ab. Sie wird als Wegbereiterin des Feminismus gefeiert. Gemeinsam mit Sartre formulieren sie die Philosophie des Existenzialismus, sind der Mittelpunkt der Pariser Boheme. Jedoch hatte sie einige Verhältnisse mit ihren Schülerinnen, auch ehemaligen Schülerinnen, die sie fördert und unterstützt, #metoo lässt grüßen, doch damals und auch heute ist ja unter dem Wort "Freiheit" alles erlaubt, egal wie viele junge Menschen dabei auf der Strecke bleiben.
"Es war ein heilloses emotionales Durcheinander, und manchmal dachte Simone, dass sie eine unmögliche Ansammlung egozentrischer Menschen waren, die viel zu dicht aufeinanderhockten und immer neue Zwistigkeiten produzierten, die aber nicht ohne einander konnten."
Caroline Bernard hat das Leben und den Charakter von Simone de Beauvoir sehr gut eingefangen und ein sehr lebendiges Bild von ihr gemalt. Das hat mir sehr gut gefallen. An Simone de Beauvoir hat mir eigentlich nur ihre Liebe zur Literatur gefallen.
Simone de Beavoir sagte auch,"...dass die persönliche Freiheit da aufhört, wo sie andere betrifft. Und wie man damit umgeht." So beschreibt sie es in einem ihrer Bücher. Ihr Leben sprach jedoch eine andere Sprache, denn obwohl sie so verletzt von Sartre war, der ständig ihre Grenzen überschritt, nahm sie sich auch gerade den Menschen auf den sie Lust hatte. Ich bin dankbar diese Biografie von Simone de Beauvoir gelesen zu haben, sie kam zur richtigen Zeit und werde mit Sicherheit kein Buch dieser "Ikone des Feminismus" lesen. Jedoch freue ich mich auf weitere Bücher von Caroline Bernard, die es einfach versteht, schwierige Persönlichkeiten zu beschreiben.