Vitor Gatinho

Dr. med. Vitor Gatinho, ein erfahrener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, ist in Frankfurt mit seiner Familie zu Hause.
Als "Kids.Doc" teilt er auf Instagram und TikTok sein Wissen über den Alltag mit Kindern, erklärt dabei auf sympathische und leicht verständliche Weise medizinische Themen und räumt mit gängigen Mythen auf. In seinem Podcast „Der Kids. Doc“ bietet er wöchentlich spannende Einblicke in aktuelle medizinische Themen und vermittelt komplexe Zusammenhänge auf verständliche Weise. Zusätzlich begleitet er wöchentlich Eltern durch die ersten drei Jahre ihres Kindes mit seiner "Kids.Doc" App, die voll ist mit altersentsprechenden Beiträgen, Spezialartikel und Instagram Frage-Runden, die man endlich nach Schlagwörtern durchsuchen kann.

Kinderarzt und Elternflüsterer

"Wenn der Rotz läuft und der Pups drückt" wurde zum Bestseller. Nun bringt der Kinderarzt Dr. Vitor Gatinho, der in Social-Media-Kanälen als Kids.Doc ebenfalls sehr erfolgreich ist, sein zweites Buch, "Wenn die Laus juckt und der Zahn wackelt" heraus.

Herr Gatinho, was hat Sie dazu inspiriert, allgemein verständliche Bücher über Kindermedizin zu schreiben?
Als Kinderarzt und später auf Social Media fiel mir auf, dass Eltern in bestimmten Lebensphasen ihrer Kinder immer die gleichen Fragen stellen. Alle mit Baby stellen irgendwann die gleichen Fragen und alle mit Zweijährigen. Wenn Eltern bestimmte Dinge schon im Voraus wüssten, so dachte ich mir, ließen sich manche ihrer Sorgen nehmen und sie wären in der Lage, ihre Elternschaft viel mehr zu genießen. Gerade in der Anfangszeit mit einem Neugeborenen oder Baby, kann es Eltern entspannen, wenn man ihre Ängste, die ja normal sind, mit einer Art Kompendium aufklärt - aber einfach und locker, so dass jeder abgeholt wird.

Können Sie uns erzählen, wie Sie Social Media Plattformen nutzen, um eine größere Zielgruppe zu erreichen und wichtige Gesundheitsinformationen zu vermitteln?
Während des Corona-Lockdowns 2020 begann ich, Videos zu drehen, die große Resonanz hatten. In Deutschland waren damals noch nicht viele Ärzte auf Instagram und ich stellte fest, dass es in der Kinderheilkunde eine riesige Lücke gibt. Im Laufe der Zeit wurden meine Videos länger, auch weil die Themen komplexer wurden. Ich habe zudem anonyme Fragerunden durchgeführt und die Fragen dann lustig und locker, aber immer wissenschaftlich evidenzbasiert beantwortet.

Welche Art von Reaktionen haben Sie von Eltern auf Ihr erstes Buch erhalten?
Wenn ich Leute treffe, die mein erstes Buch kennen, bedanken sie sich häufig, weil es ihnen viele Ängste genommen, ihnen ihre Leichtigkeit wiedergegeben und Wege zum Kinderarzt erspart hat. Das Buch ist ja ein Kindermedizinbuch, aber wer es liest, wird sehr schnell merken, dass es gar nicht so ein typisches Kindermedizin Buch ist, in dem man Krankheiten nachschlägt. Dazu gibt es natürlich auch ein Kapitel, aber es geht in den Büchern viel mehr darum, Kinder ganzheitlich zu verstehen.

Im Vorwort schreiben Sie, Ihre Bücher sollen als Korrektiv fungieren. Was genau wollen Sie richtigstellen?
Ich wollte ein Korrektiv geben zu den Ansprüchen, die die Gesellschaft an Kinder stellt, die überzogen und nicht richtig sind. Babys sollen zum Beispiel schon von Geburt an funktionieren, nicht weinen und alle drei Stunden trinken. In den sozialen Medien gibt es oft nur Schwarz und Weiß oder es wird ein vermeintliches Real Life gezeigt. Das setzt Eltern enorm unter Druck. Durch mein Buch merken Eltern, dass es ein Spektrum und viele Normalitäten gibt. Sie melden mir auch zurück, dass sie mein Buch als positives Korrektiv zu den Mythen sehen, die überall in der Gesellschaft über Kinder und Eltern herumschwirren.

Ihre Bücher haben ja sehr anschauliche Titel. Welche Rolle spielt die Sprache für Sie als Mediziner?
Mir ist es wichtig, dass Eltern aus meiner Praxis gehen und alle ihre Fragen beantwortet haben. Mein Tipp dazu: Macht euch Listen mit euren Fragen! Als Kind von Gastarbeitereltern war Sprache und Übersetzen schon immer Thema, ich musste kompliziertes Deutsch runterbrechen auf einfaches Portugiesisch. So ist das letztendlich auch in der Praxis. Komplexe medizinische Sachverhalte müssen so runtergebrochen werden, dass es wirklich jeder versteht. So nimmt man Eltern viele Ängste.

In Ihren Büchern sprechen Sie auf zugängliche Weise über Kindermedizin. Wie wichtig ist, dass Eltern und Kinder medizinische Inhalte verstehen und darüber sprechen können?
Bei chronischen oder akuten Erkrankungen ist es wichtig zu wissen, was man hat - auch um es dem Kind oder Außenstehenden erklären zu können, zum Beispiel: Warum darf ich bei Glutenunverträglichkeit nicht das gleiche Messer verwenden wie für das "normale" Brot? Das kann bei Nichtbetroffenen schon mal auf Unverständnis stoßen. Auch für den Genesungsprozess ist es förderlich, dass man wirklich Bescheid weiß und keinen Fake News aufsitzt. Denn kennt man seine Optionen, greift man in seiner Verzweiflung nicht nach jedem Halm und gerät an merkwürdige Dinge, die vielleicht sogar schaden.

Eltern haben oft unterschiedliche Meinungen darüber, wann ein Arztbesuch notwendig ist. Wie können Ihre Bücher Eltern dabei unterstützen, bei gesundheitlichen Fragen die richtigen Entscheidungen für ihre Kinder zu treffen?
In meinen Büchern gebe ich klare Ratschläge. Wann muss man zum Arzt? Ein Säugling unter sechs Monaten, der über 38 Grad Celsius fiebert, ohne dass er zum Beispiel gerade erst geimpft wurde, muss sofort ärztlich vorgestellt werden. Wohingegen ein 12-jähriges Kind, das einmal erbrochen hat, auch mal zwei Tage zu Hause bleiben und sich auskurieren kann. Das hilft nicht nur Eltern, sondern auch den Kolleg:innen in den Praxen.

Welche Bedeutung hat es für Kinder, ein grundlegendes Verständnis für ihre Gesundheit und ihren Körper zu entwickeln?
Kinder sollten wissen, was in ihrem Körper passiert. Das kann man kindgerecht aufarbeiten, gerade wenn ein Kind chronisch krank ist. Mein Buch handelt übrigens nicht nur von Kinderkrankheiten, sondern ebenso von Emotionen und psychischer Gesundheit. Es ist wichtig für das Kind zu verstehen, dass es nicht irgendwie falsch ist. Denn daraus können andere Krankheiten wie Depressionen entstehen. In dem Moment, in dem ich meine Krankheit verstehe, kann ich viel besser damit umgehen. Denn egal, was man hat, man kann es immer etwas beeinflussen.