Was für eine wundersame Wippe aus dunstiger Leichtigkeit und getrichterter Schwere, aus fugenden Liebesströmen und stillem Gewässer. Das ist so gescheit, witzig, melancholisch, zart und auch würzig, und frech und voll Schönheiten aus fernen Fähren.
Jana Papenbroock
eine verschwenderische Sprachschöpfung aus dem Geist der Malerei und der Musik
Meinolf Reul, Textem
Scheinbar leichthin kombiniert sie Strukturelemente moderner Lyrik von diversen Surrealisten bis zu Momenten von Slam und Groteske. Die Innovationsfülle beindruckt in originellen Kompositabildungen ebenso wie in verblüffenden Sinnverklebungen oder den schroffen Wechseln der Stilebenen von Pathos bis Jargon. Es entstehen Such- und Wimmelbilder, Panoramen und Panoptiken, beim Lesen ablaufende Mini-Filme und Installationen. Charlotte Warsens fragil-skurrile Sprachgrafiken entzücken ob der Eleganz und Raffinesse im Groß- und Feinbau der Gedichte.
Jury des Literarischen März 2019, Begründung zur Vergabe des Wolfgang-Weihrauch-Förderpreises
Charlotte Warsens Seufzergruppen sind anarchisch-assoziative und gewitzt-gelehrte, aggressiv-melancholische und musikalische Texte, offene Sprachkunstspiele, in ihrer Art einzig. Multimedial wollen sie rezipiert werden: still gelesen, auf dem Papier gesehen, im Raum gesprochen oder gesungen und gehört. Kein einfach-realistisches, dokumentarisches Abbild der Welt, sind sie widerständig bis in die Abstraktion eine Klage nicht allein auszusprechen, das wäre affirmativ, sondern sie kunstvoll zu singen: mit der eigenen Kunst mithin die Sprach- bzw. Wahrnehmungsordnungen der herrschenden Zivilisation, nicht ohne bösen Witz und Selbstironie, in Unordnung zu bringen. Dazu findet und erfindet Charlotte Warsen, die auch Malerin ist, künstlerische Verfahren der Verschiebung und Zerstäubung des Sinns und außer in der semantischen auch in sämtlichen anderen Kategorien der Sprache. Die 2500-jährige Geschichte dichterischer Klage, die abendländische Tradition widerständigen Schreibens aus Melancholie schreibt Charlotte Warsen mit ihren Seufzergruppen fort: erfrischend, provokativ, selbstironisch, frech, mit einem ihr ganz eigenen Gestus und Ton.
Susanne Schulte, Laudatio zur Vergabe
des GWK-Förderpreises Literatur 2016